Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

472 Dreizehntes Kapitel 4. Dezember 
Bei Tische waren der ehemalige badische Minister von Roggen- 
bach, der Premierleutnant von Sawadsky und der bayrische 
Johanniter von Niethammer, ein Mann mit ungewöhnlich edeln 
Zügen, dessen Bekanntschaft der Chef neulich im Lazarett gemacht 
hat, zugegen. 
Der Minister sprach erst davon, daß er die Verwundeten im 
Schlosse heute wieder besucht habe. Dann sagte er: „Wenn ich 
von Frankfurt und Petersburg absehe, so bin ich in meinem Leben 
noch an keinem fremden Orte so lange gewesen wie hier. Wir er- 
leben hier noch Weihnachten, was wir schon nicht dachten. Wir 
sitzen zu Ostern noch in Versailles und sehen die Bäume wieder 
grün werden und horchen immer noch auf Nachrichten von der Loire- 
armee. Hätte man das gewußt, so hätten wir uns im Garten 
draußen Spargelbeete anlegen lassen.“ 
Später äußerte er gegen Roggenbach: „Da habe ich mir die 
Zeitungsausschnitte angesehen. Wie die über die Verträge herziehen! 
Kein gutes Haar lassen sie dran. Die Nationalzeitung, die 
Kölnische — die Weserzeitung ist wie immer noch die vernünftigste. — 
Nun ja, die Kritik muß man sich gefallen lassen. Aber man hat 
die Verantwortlichkeit dafür, wenn nichts zu stande kommt, während 
die Kritiker unverantwortlich sind. Mir ists einerlei, wenn sie mich 
tadeln, wenn die Sache nur durchgeht im Reichstage. Die Ge- 
schichte kann sagen, der elende Kanzler hätte es auch besser machen 
können, aber ich war verantwortlich. — Will der Reichstag ändern, 
so kann auch jeder süddeutsche Landtag ändern, in andrer Richtung, 
dann zieht sich der Prozeß in die Länge, und mit dem Frieden, 
wie wir ihn wollen und brauchen, wird nichts. Elsaß kann doch 
nicht beansprucht werden, wenn keine politische Persönlichkeit ge- 
schaffen ist, wenn kein Deutschland da ist, das es für sich erwirbt." 
Man sprach von den Friedensverhandlungen, die mit der be- 
vorstehenden Kapitulation von Paris verbunden sein könnten, und 
von den Schwierigkeiten, die dabei auftauchen würden. „Favre und 
Trochu — begann der Chef — können sagen: Wir sind die Re- 
gierung nicht, wir waren einmal dabei, aber wir haben niedergelegt, 
wir sind Privatleute. Ich bin nichts als der Citoyen Trochu.“ — 
„Nun wollte ich sie aber schon zwingen, die Pariser. Ich würde 
sagen: Ihr zwei Millionen Menschen seid mir verantwortlich mit
	        
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