Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

486 Dreizehntes Kapitel 5. Dezember 
redete alle Welt mit dieser malitiösen Impotenz.“ — „Es war 
eine Welt, die man sich ohne solche Bücher jetzt gar nicht mehr 
vorstellen kann, wenn man sie nicht selber gesehen hat. Viel aus— 
wendig, nichts Ordentliches inwendig. — Ich besinne mich, obwohl 
ich damals noch sehr klein war, es muß im Jahre 1821 oder 22 
gewesen sein — da waren die Minister noch sehr große Tiere, an— 
gestaunt, geheimnisvoll. Da war einmal bei Schuckmann große 
Gesellschaft, was man damals Assemblee nannte. Was war der 
als Minister für ein erschrecklich großes Tier! Da ging meine 
Mutter auch hin. Ich weiß es noch wie heute. Sie hatte lange 
Handschuhe an, bis hier herauf (er zeigte es am Oberarme), ein 
Kleid mit kurzer Taille, aufgebauschte Locken zu beiden Seiten und 
auf dem Kopfe eine große Straußenfeder.“ 
Er unterließ die Geschichte zu vollenden, wenn es eine werden 
sollte, und kam auf Humboldt zurück. „Humboldt — sagte er — 
wußte übrigens auch manches Hübsche zu erzählen, wenn man mit 
ihm allein war — aus der Zeit Friedrich Wilhelms des Dritten 
und besonders aus seinem ersten Aufenthalt in Paris, und da er 
mir gut war, weil ich ihm immer aufmerksam zuhörte, so erfuhr 
ich viele schöne Anekdoten von ihm. — Mit dem alten Metternich 
wars ebenso. Ich verlebte einmal ein paar Tage auf dem Johannis- 
berge mit ihm. Da sagte mir später Thun:Ich weiß nicht, was 
haben Sie nur dem alten Fürsten angethan, der hat ja in Sie wie 
in einen goldnen Kelch hineingesehen und sagte mir, wenn Sie mit 
dem nicht zurechte kommen, so weiß ich wirklich nicht. — „Ja 
— sagte ich —, das will ich Ihnen erklären: ich habe seine Geschichten 
ruhig angehört und nur manchmal an die Glocke gestoßen, daß sie 
weiter klang. Das gefällt solchen alten redseligen Leuten.“ 
Hatzfeldt bemerkte, Moltke habe an Trochu geschrieben: so und 
so stünden die Sachen bei Orleans. Er gäbe ihm anheim, ob er 
einen Offizier herausschicken wolle, um sich von der Wahrheit zu 
überzeugen. Er werde diesem ein Saufconduit ausstellen bis Orleans. 
Der Chef sagte: „Das weiß ich. Aber er hätte es nicht thun 
sollen, er mußte von selber zu ihnen kommen. Unfre Linien sind 
jetzt an mehreren Stellen dünn, auch haben sie Taubenpost. Wenn 
wirs ihnen sagen, sieht es aus, als hätten wirs mit der Kapitu- 
lation sehr eilig.“
	        
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