6. Dezember Dreizehntes Kapitel 487
Dienstag, den 6. Dezember. Früh das Nähere über den
Sieg bei Orleans nach Berlin und London telegraphiert. Dann
für den Moniteur und deutsche Blätter Artikel über die Wort—
brüchigkeit der gefangnen französischen Offiziere gemacht, von denen
wieder einige steckbrieflich verfolgt werden. Auch der General Barral,
der jetzt in der Loirearmee ein Kommando hat, ist auf diese
schmähliche Weise entlaufen. Er hat nach der Übergabe von Straß-
burg nicht bloß einfach, sondern doppelt das schriftliche Versprechen
auf Ehrenwort abgegeben, in diesem Kriege nicht mehr die Waffen
gegen Preußen und seine Verbündeten zu tragen und überhaupt
nichts zu thun, was den deutschen Armeen schaden könnte. Er ist
dann nach Kolmar gereist und von da an die Loire, wo er wieder
in das französische Heer eingetreten ist — eine beispiellose Ehr-
losigkeit. Die Herren von der Regierung in Tours haben nichts
dawider gehabt. Diese Herren, von denen die belgischen Blätter
nicht oft genug rühmen können, daß sie honette Leute, Ehren-
männer u. dergl. seien, sind aber noch weiter gegangen, sie haben
zu den in Belgien internierten französischen Offizieren einen gewissen
Richard abgeschickt, der sie bei Taschard, dem Vertreter der Herren
Gambetta und Favre in Brüssel, versammelt und sie dort unter
Drohungen aufgefordert hat, ihr den belgischen Behörden gegebnes
Wort zu brechen und sich nach Frankreich auf den Weg zu machen,
um dort wieder gegen die Deutschen zu fechten. Auch in Schlesien
scheinen solche Emissäre Offiziere von wenig Charakter verführt zu
haben. Es giebt in der Kriegsgeschichte wohl nicht viele Fälle der
Art. Die Sache hat aber noch eine andre Seite: deutscherseits muß
man infolge dieser Unwürdigkeiten schwere Bedenken tragen, einer
Regierung wie der der nationalen Verteidigung überhaupt zu trauen.
Mit andern Worten: wir können mit einer Regierung, die zum
Wortbruch verlocken läßt, die aus eigner Initiative wortbrüchig
gewordne Offiziere anstellt und verwendet und dadurch zeigt, daß
sie deren Auffassung vom Werte feierlich gegebner Versprechungen
teilt und billigt, selbstverständlich als mit einer in hohem Grade
unzuverlässigen so lange nicht verhandeln, als diese Verlockung,
Anstellung und Verwendung fortdauert.
Bei Tische waren heute Dr. Lauer und Odo Russell gegen-
wärtig. Die Unterhaltung war von keinem besondern Interesse, es