492 Vierzehntes Kapitel 7. Dezember
Er war ein durch und durch verlogner Patron. Ich entsinne mich,
einmal, in einer großen Gesellschaft, wurde von irgend einer öster—
reichischen Behauptung gesprochen, die nicht mit der Wahrheit
stimmte. Da sagte er, daß ichs hören sollte, mit erhobner Stimme:
»Wenn das nicht wahr wäre, da hätte mich ja das kaiserlich-könig-
liche Kabinett mit einer Perfidie beauftragt, da hätte ja Seine
Kaiserliche Apostolische Majestät (er betonte das Wort starh ge-
logenk Dabei sah er mich an. Ich sah ihn wieder an und sagte
gelassen: „Allerdings, Exzellenz.# Er war offenbar erschrocken, und
als er sich umsah und lauter niedergeschlagnen Augen begegnete
und einem tiefen Schweigen, das mir Recht gab, wandte er sich
still ab und ging ins Speisezimmer, wo gedeckt war. Nach Tische
aber hatte er sich erholt. Da kam er auf mich zu — mit einem
gefüllten Glase — sonst hätte ich gedacht, er wollte mich fordern —
und sagte: Na, lassen Sie uns Frieden machen. — Warum denn
nicht 7& sagte ich. „Aber was ich drinnen bemerkte, bleibt doch richtig,
und das Protokoll muß geändert werden — Sie sind unver-
besserlich erwiderte er lächelnd, und damit wars gut. Das Proto-
koll wurde geändert und damit anerkannt, daß es die Unwahrheit
enthalten hatte. — Ein schuftiger Kerll“'! — — — Man kam auf
Goltz zu reden, und der Chef erzählte die Beaumonter Geschichte
von dessen Unbeliebtheit bei seinen Leuten noch einmal, worauf er
Hatzfeldt fragte, er habe wohl auch von ihm zu leiden gehabt. Dieser
sagte, nein, aber daß man ihm sonst unter den Herren von der
Gesandtschaft nicht gut gewesen wäre, wäre richtig.
Nach Tische ist Konsul Bamberg bei mir und bekommt den
Artikel über den Mangel der Wahrheitsliebe in Tours. Ich rede
mit ihm auch über Löwinsohn, dessen Fähigkeit ich lobe, während
er nach ihm auch eifriger Patriot wäre und früher schon gute Dinge
geleistet hätte. Später erscheint Löwinsohn selbst und erzählt u. a.,
daß man das Hotel des Reservoirs das „Hotel des Preservoirs"“
zu nennen beginne. (Kein sehr glänzender Witz, dächt ich; doch
kann man darüber seine Gedanken haben, und wer damals auch in
Versailles war, wird wissen, welche.)
Beim Thee berichtet Hatzfeldt, daß heute zahlreiche Gefangne
1 Vgl. Brief vom 6. August 1853, Kohl, Bismarcks Briefe an Gerlach, 94.