Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

8. Dezember Vierzehntes Kapitel 497 
ist dann wieder was andres. Das geht mehr auf die Londoner. 
Da giebt es Leute, die nie aus den Mauern und Gassen, nie aus 
brick and mortar herauskommen, nie was Grünes gesehen haben, 
die immer nur das Leben in diesen Gassen kennen gelernt haben 
und den Klang der Bow Bells gehört. Wir haben Berliner, die 
auch niemals von da weggewesen sind. Aber Berlin ist eine kleine 
Stadt gegen London und auch gegen Paris, das ebenfalls seine 
Cockneys hat, nur heißen sie da anders. — In London sind Hundert- 
tausende, die niemals was andres gesehen haben als die Stadt. In 
solchen großen Städten bilden sich Ansichten, die verästen sich und 
verhärten und werden dann Vorurteile für die darin Lebenden. In 
solchen großen Mittelpunkten der Bevölkerung, die von dem, was 
außer ihnen ist, keine Erfahrung und so keine richtige Vorstellung 
haben — von manchem keine Ahnung —, entsteht diese Beschränkt- 
heit, diese Einfältigkeit. Einfalt ohne Einbildung ist zu ertragen. 
Aber einfältig sein, unpraktisch und dabei eingebildet, ist unerträglich. — 
Die Leute auf dem Lande sind viel mehr darauf angewiesen, das 
Leben zu nehmen, wie es ist und wächst. Sie mögen weniger 
Bildung haben, aber was sie wissen, das wissen sie ordentlich. Es 
giebt übrigens auch Snobs auf dem Lande. Sehen Sie mal (zu 
Putbus)y, so ein recht tüchtiger Jäger, der ist überzeugt, daß er der 
erste Mann der Welt ist, daß die Jagd eigentlich alles bedeutet, 
und daß die Leute, die davon nichts verstehen, nichts sind. Und 
so einer auf einem Gute weit draußen, wo er alles ist, und die 
Leute ganz von ihm abhängen — wenn der vom Lande auf den 
Wollmarkt kommt, und er hier vor den Leuten in der Stadt nicht 
das gilt, was er zu Hause ist — da wird er verdrießlich und setzt 
sich auf seinen Wollsack und kümmert sich mürrisch um nichts weiter 
als um seine Wolle."“ 
Später verlor sich die Unterhaltung in Geschichten von Pferden 
und equestrischen Leistungen. Der Chef erzählte von seiner braunen 
Stute, von der er anfangs nicht viel gehalten, die ihn aber bei 
Sedan dreizehn Stunden getragen habe, „wenigstens zwölf Meilen 
weit,“ und die dann am andern Tage noch brauchbar gewesen sei. 
Er kam dann auf andre Reiterstücke, z. B. wie er einmal auf einem 
Ritt mit seiner Tochter an einen Graben gelangt sei, den er selbst 
mit seinem Pferde nicht habe überspringen mögen, den die Komtesse 
Busch, Tagebuchblätter 1 32
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.