Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

26 Erstes Kapitel 6. April 
selben Saale den Grundsatz ausgesprochen, daß der preußische Land- 
tag vom Reichstage unabhängig sei." 
„Dann — fuhr er fort — hier die Kölnische. Die läßt sich 
schreiben von Erregtheit. Ich soll eine Erregtheit gezeigt haben, 
die an die Konfliktszeit erinnert hätte. Das ist unwahr. Ich habe 
nur erregte Angriffe in demselben Tone zurückgewiesen, den sie an- 
schlugen — sagen Sie das, wie das parlamentarischer Brauch sei. 
Nicht Bismarck hätte die Initiative ergriffen, sondern Lasker und 
Hoverbeck. Sie fingen wieder mit persönlichen Ausfällen und In- 
jurien an, und ich habe wieder in wohlwollendem Tone gebeten, 
man möge doch nicht wieder in diesen Stil verfallen. Ob denn 
die Kölnische die stenographischen Berichte nicht gelesen hätte, woraus 
doch hervorgehe, daß Graf Bismarck diese Zänkerei nicht angefangen 
habe? Sie wäre doch — abgesehen von ihrem Plaidoyer für die 
dänischen Ansprüche — ein Blatt von verständiger Richtung. Was 
ihr denn Graf Bismarck gethan hätte, daß sie sich von ihrem 
Korrespondenten eine so arge Entstellung der wahren Sachlage 
schreiben ließe? Ubrigens hat Bennigsen Lasker zur Vernunft er- 
mahnt. Und sie sehen jetzt selber ein, daß sie einen falschen Ton 
angeschlagen haben; denn Lasker kam am Sonnabend und ent- 
schuldigte sich bei mir.“ 1 
6. April. Auf Veranlassung des Ministers dem Meister Dörr 
zur Verbreitung durch das Litterarische Büreau folgende Notiz dik- 
tiert: „Die Lage der oppositionellen Bischöfe auf dem Konzil scheint 
nach der Haltung der katholischen Regierungen, besonders der Wiener, 
keine günstige zu sein. Graf Beust ist vermutlich über die Sache 
noch nicht mit sich im klaren. Er scheint ziemlich energische Weisungen 
an die Gesandtschaft in Rom geschickt zu haben, Graf Trautmanns- 
dorff aber hat dieselben offenbar in sehr abgeschwächter Form vor- 
getragen. Der österreichische Reichskanzler soll ferner nach gewissen 
Zeitungsberichten andrer Mächte zu gemeinsamer Aktion in betreff 
der römischen Angelegenheiten zu veranlassen versucht haben, während 
  
1 Es handelt sich um die Reichstagsdebatte am 1. April 1870 über den 
Antrag von Hoverbecks, den Lasker unterstützte und der Kanzler lebhaft be- 
kämpfte, den Posten von 30 840 Thalern „als Aversionalentschädigung Preußens 
an den Norddeutschen Bund für die Besorgung speziell preußischer Angelegenheiten“ 
im Reichsetat zu streichen. Politische Reden des Fürsten Bismarck IV, 352 ff.
	        
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