540 Fünfzehntes Kapitel 18. Dezember
Londoner Cockneys zu verstehn, auf Reisen in fremde Länder be—
geben und dort nun in allerhand Verlegenheiten geraten.
Bucher erzählte später noch, daß der Chef ein großer Freund
der Natur und malerischer Gegenden sei. Mehrmals habe er mit
ihm die Nachbarschaft von Varzin durchstreift, und dabei habe er
gewöhnlich zu Ende gesagt: „Sie werden uns jetzt zum Essen er—
warten, aber sehen Sie dort den Hügel, da müssen wir noch hinauf,
da giebts noch eine Aussicht."
Abends nach zehn Uhr wurde wieder einigemal von den Forts
geschossen.
Sonntag, den 18. Dezember. Das Wetter trübe, aber
ohne Nebel. Früh wieder einige Schüsse aus grobem Geschütz zu
hören. Am Vormittag mehrere Briefe nach Deutschland geschrieben.
Um zwei Uhr fuhr der Chef nach der Präfektur zur Vorstellung der
Reichstagsleute. Ich machte in der Zeit bis zu seiner voraussicht-
lichen Rückkehr mit Wollmann einen Spaziergang durch den Schloß-
park und zuletzt über die Avenue de Paris, wo die Zeremonie
in der Präfektur ziemlich einfach verlaufen sein sollte. Die hier
anwesenden Fürstlichkeiten hätten sich zum Könige begeben, des-
gleichen die Abgesandten des Reichstags. Nach zwei Uhr wäre der
König in Begleitung des Thronfolgers und der Prinzen Karl und
Adalbert in den Empfangssaal getreten, wo sich die Großherzöge von
Baden, Oldenburg und Weimar, der Koburger und der Meininger
Herzog, die drei hier gegenwärtigen Erbgroßherzöge von Mecklen-
burg, Weimar und Oldenburg, der Prinz Wilhelm von Württemberg
und eine Anzahl andrer fürstlicher Personen, der Bundeskanzler
und die Generalität um ihn gruppiert hätten. Niemand wäre in
großer Uniform gewesen. Simson hätte die Anrede an Seine Majestät
gehalten, und der König hätte ungefähr, wie erwartet war, geant-
wortet. Um fünf Uhr hätte ein Diner von achtzig Gedecken die
Feierlichkeit beschlossen.
1 Voraus ging ein Gottesdienst in der Schloßkirche, wo D. Bernhard Rogge
die Predigt über Phil. 4, 4—8 hielt, s. Rogge, Bei der Garde, 115 f. Roon III4,
265. Über den Empfang selbst nachmittags 2 Uhr im Empfangssaale der Prä-
fektur Roon a. a. O. Unruh 319 ff. Poschinger, Bismarck und die Par-
lamentarier II, 146 ff. ogl. I, 50. Wilmowski 77f. Kaiser Friedrichs Tage-
buch vom 18. Dezember. Grenzboten 1871, 1. Quartal, 285. 338. 393.