Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

19. Dezember Fünfzehntes Kapitel 545 
wirklichen gedenken. Die große Mehrzahl des französischen Volkes 
selbst kann ihnen den Sieg nicht wünschen, da derselbe gleichbedeutend 
sein würde mit der Vernichtung ihrer Nationalität, mit dem Unter- 
gange ihrer politischen und gesellschaftlichen Einrichtungen, mit der 
Beseitigung von Glauben und Kirche, mit der Revolution ohne 
Ende, mit der allgemeinen Anarchie, die die Despotie zu gebären 
pflegt. 
Gott behüte uns — so sagt ein Blatt, dem man die republi- 
kanische Gesinnung gewiß nicht abstreiten wird, so sagt die New 
Tork Tribune — Gott behüte uns vor dem Wunsche, daß in dem 
unglücklichen Frankreich oder irgendwo in Europa eine solche Re- 
publik errichtet werden möge! — Der Moniteur soll dieses Thema 
in ähnlicher Weise behandeln. 
Nach zwei Uhr unternahm ich einen Ausflug durch den Park, 
bei dem ich dem Chef, der Simson im Wagen neben sich hatte, 
zweimal begegnete. Der Minister war auf sieben Uhr zur kron- 
prinzlichen Tafel geladen, speiste aber vorher noch ein halbes 
Stündchen mit uns. Dabei erzählte er von seiner Ausfahrt mit 
Simson, wo er u. a. bemerkte: „Er ist das letztemal 1830 nach 
der Julirevolution hier gewesen. Ich dachte, er würde sich für den 
Park und die hübschen Aussichten in ihm interessieren. Aber er 
zeigte nichts davon. Es scheint, daß ihm aller landschaftliche Sinn 
verschlossen ist. Es giebt viele Juden, bei denen das der Fall ist. 
Es giebt, so viel ich weiß, auch keine jüdischen Landschaftsmaler, 
wohl überhaupt keine jüdischen Maler.“ 
Man nannte Meyerheim und Bendemann. 
„Ja — erwiderte er —, Meyerheim, aber Bendemann hat 
wohl nur jüdische Großeltern gehabt. — Jüdische Komponisten, da 
giebt es viele — Meyerbeer, Mendelssohn, Haléoy — aber Maler — 
der Jude malt wohl, aber nur, wenn ers nicht nötig hat.“ 
Abeken berichtete dann von der Predigt, die Rogge gestern 
in der Schloßkirche gehalten habe, und meinte, er habe zu viel aus 
der Reichstagsdeputation gemacht, woran er einige geringschätzige 
Außerungen über den Reichstag überhaupt knüpfte. 
Der Chef erwiderte: „Dieser Meinung bin ich doch nicht — 
gar nicht. Die Leute haben uns eben wieder hundert Millionen 
bewilligt, und sie haben trotz ihrer doktrinären Ansichten die Ver- 
Busch, Tagebuchblätter 1 35
	        
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