Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

28 Erstes Kapitel 12. April 
ein Recht, dagegen Widerspruch zu erheben.“ Es sollen zwei Artikel 
über das Thema gemacht werden, einer für Braß und einer für 
die Spenersche Zeitung, jener ohne, dieser mit Erwähnung Oster= 
reichs. 
12. April. Der Graf will einen Artikel für die Kölnische 
Zeitung gemacht haben, den er mir zum Teil diktiert. Er 
lautete: „Der Constitutionnel ergeht sich darüber, daß die fran- 
zösischen Sitten durch ausländische Elemente, von denen er die 
Fürstin Metternich und die Frau Rimsky-Korsakow nennt, verderbt 
worden seien. Es würde mehr Zeilen erfordern, als wir auf diese 
Sache verwenden können, wenn man alle die Unwissenheiten und 
Vorurteile, die der wahrscheinlich nie aus Paris herausgekommne 
Verfasser in seinen Artikel zu legen verstanden hat, widerlegen 
wollte. In Wien würde die Fürstin Metternich nicht thun, was 
sie nach dem Constitutionnel in Paris gethan haben soll, und in 
Petersburg giebt die Frau Rimsky-Korsakow nicht den Ton an. 
Es muß also doch wohl umgekehrt sein, es muß an Paris liegen, 
wenn die beiden Damen sich dort so verhalten und solchen Einfluß 
üben, wie nach dem französischen Blatte der Fall ist. Und in der 
That existiert in andern Ländern nur noch in alten Romanen oder 
bei bejahrten in der Tiefe der Provinz lebenden Personen die 
Vorstellung, daß Paris noch die Heimat und Schule der guten 
gesellschaftlichen Sitten sei. Nicht nur an den europäischen Höfen 
hat man längst die Beobachtung gemacht, daß die heutige Gene- 
ration der Franzosen sich nicht zu benehmen weiß; auch in andern 
Kreisen sticht der jüngere Franzose unvorteilhaft gegen die andern 
Nationen und gegen die wenigen einzelnen Exemplare seiner Lands- 
leute ab, die fern von Paris die Traditionen der guten französischen 
Gesellschaft bewahrt haben. Reisende, die in längern Zwischen- 
räumen Frankreich besucht haben, stimmen überein in dem Zeugnis, 
daß dort die höflichen Formen selbst bis auf die konventionellen 
Redewendungen, für welche die französische Sprache so lange ein 
Muster war, in stetiger Abnahme begriffen sind. Es ist daher sehr 
erklärlich, daß die Kaiserin Eugenie als feinfühlende Spanierin von 
dem Ton und Wesen der Pariser Gesellschaft empfindlich berührt 
worden ist, aber es wäre ein Mangel an Urteil ihrerseits gewesen, 
wenn sie, wie der Constitutionnel behauptet, den Quell der Ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.