Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

21. Dezember Fünfzehntes Kapitel 559 
„Ach — versetzte Lauer —, das ist wohl möglich. Es ist 
eine Masse von zusammengefilzten Muskeln, woher die Gewandtheit 
und Kraft kommt, mit der er ihn gebraucht. Etwas wie die Zunge; 
er muß wie Zunge schmecken.“ 
Jemand bemerkte, auch die Kamele sollten nicht übel sein, und 
namentlich behaupte man, daß die Höcker eine große Delikatesse 
wären. 
Der Chef hörte dem eine Weile zu, dann sagte er wie nach- 
denklich, erst etwas vorgebeugt, dann aufatmend und sich aufrichtend, 
wie das bei Scherzen seine Gewohnheit: „Om, die buckligen Menschen 
— man sollte denken, die Buckel“ — laute allgemeine Heiterkeit 
unterbrach ihn. 
Lauer bemerkte trocken und wissenschaftlich, die Buckel wären 
eine Verbildung der Rippen oder Knochen oder auch eine Ver- 
krümmung des Rückgrats, und so würden sie sich nicht zum Essen 
eignen, wohingegen die Kamelhöcker bewegliche Knorpelansätze wären, 
die möglicherweise nicht schlecht schmeckten. 
Dieser Faden spann sich dann weiter, es war die Rede von 
Bärenfleisch, dann von Bärentatzen, zuletzt von den Feinschmeckern 
unter den Kannibalen, wobei der Minister eine anmutige Geschichte 
zu erzählen wußte. Er begann: „Ein Kind, ein junges frisches 
Mädchen, nun ja, aber so ein alter, ausgewachsener harter Kerl — 
der muß doch nicht zu essen sein.“ Dann fuhr er fort: „Ich erinnere 
mich, eine alte Kaffern= oder Hottentottenfrau, die lange schon 
Christin geworden war, als der Missionar sie auf den Tod vor- 
bereitete und sie zuletzt ganz für die Seligkeit bereit fand — da 
fragte er sie, ob sie wohl noch einen Wunsch hätte. Nein, sagte 
sie, es wäre alles ganz gut, aber wenn sie noch einmal ein paar 
Hände von einem kleinen Kinde zu essen bekäme, das wäre doch 
was sehr Delikates." 
Es war hierauf vom Schlafen, von der heutigen Haussuchung 
und von den gestern eingetroffnen Matrosen die Rede, von denen 
der Chef bemerkte, wenn sie die eroberten Kanonenboote in die 
Seine bringen könnten, so wären gute Dienste von ihnen zu er- 
warten. « 
Dann kam er wieder auf Jugenderinnerungen zu sprechen, wobei 
er nochmals des Kuhhirten Brand gedachte, und hierauf erzählte
	        
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