Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

564 Fünfzehntes Kapitel 20. Dezember 
auf die Reise macht und hierherkommt, will unserm hohen Herrn 
gar nicht gefallen. Er hat Angst vor der Sache. Ich nicht.“ 
Abeken sagte hierauf: „Antonelli ist doch in den Zeitungen 
sehr verschieden beurteilt worden, bald als hoher, feiner Geist, 
bald als schlauer Intriguant, bald wieder als dummer Kerl und 
Schafskopf." 
„Ja — erwiderte der Kanzler — das geht aber nicht bloß der 
Presse so, sondern auch dem Urteilsvermögen mancher Diplomaten. 
Goltz und unserm Harry (Arnim). Von Goltz will ich nicht einmal 
reden. Das war was andres. Aber der — heute so, morgen so. 
Wenn ich in Varzin war und die Berichte aus Rom zusammenlas, 
da hatte er seine Meinung über die Leute doch jede Woche ein 
paarmal total gewechselt, je nachdem sie ihn freundlich angesehen 
hatten oder nicht. Ja er hatte eigentlich mit jeder Post, manchmal 
mit einer und derselben Post andre Ansichten." 
Abends Depeschen aus Rom, London und Konstantinopel und 
die Antworten darauf gelesen. Monsignor Franchi hat Arnim nach 
dessen Bericht mitgeteilt, der Papst und Antonelli wollten dem 
König in Versailles durch eine Mission zur Erlangung der Kaiser- 
würde gratulieren und dabei zugleich durch Einwirkung auf den 
französischen Klerus für Befreiung des Landes von Gambetta und 
Herbeiführung des Friedens mit Landabtretungen an uns thätig 
sein. Unter Umständen käme Antonelli selbst her, um die vom 
Erzbischof von Tours nicht gelöste Aufgabe in betreff eines für 
uns annehmbaren Friedens in die Hand zu nehmen. — Es ist 
darauf Arnim geantwortet worden, Annahme von Kaiser und Reich 
von seiten Bayerns noch unsicher. Wir werden Kaiser und Reich 
dennoch herstellen. Diese werden aber dann ihre Stütze mehr in der 
öffentlichen Meinung finden, und die (hauptsächlich ultramontanen) 
Elemente, die dagegen gestimmt hätten, werden dann in noch stärkerm 
Gegensatze zu dem neuen Deutschland stehen. — Bernstorff meldet, 
daß der frühere kaiserliche Minister Duvernois im Auftrag Eugeniens 
bei ihm gewesen wäre und von einer Gebietsabtretung soviel wie 
die Erwerbung von Nizza und Savoyen durch das Kaisertum ge- 
sprochen habe. Die Kaiserin wolle ein Manifest erlassen. Persigny 
sei andrer Ansicht, indem er die Kaiserin für unmöglich halte. 
Bonnechose, Erzbischof von Rouen, hat sich gegen Manteuffel ähnlich
	        
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