Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

566 Fünfzehntes Kapitel 23. Dezember 
sie begehen könnte, der sein würde, sich nicht durch diese Dynastie 
eine Allianz zurückzugewinnen, an deren Zerreißung sie nie hätte 
denken dürfen, wenn man für seine wahren Interessen Sorge ge- 
tragen hätte. Unfre Verstümmlung würde ihr Tod sein, und sie 
kann nicht darauf verzichten, uns zu verstümmeln, wenn sie nicht 
hinter sich eine Macht zurückläßt, die stark genug ist, beschworne 
Treue nicht brechen zu müssen. Nur das Kaisertum kann Preußen 
von der Eroberung dispensieren und ihm gestatten, seine Ansprüche 
auf eine Berichtigung der Grenzen zu ermäßigen, weil nur das 
Kaisertum mit Preußen die großen Umgestaltungen der Karte 
Europas anraten kann, die das Verhalten der Neutralen sowohl 
für die Ruhe Deutschlands als für die Wiederaufrichtung Frank- 
reichs unumgänglich gemacht hat.“ 
Um die Frühstückszeit läßt sich eine Französin beim Chef 
melden, deren Mann sich mit einer Franctireurbande in den Ar- 
dennen in verräterische Unternehmungen eingelassen hat und zum 
Tode verurteilt worden ist. Sie will um Gnade für ihn bitten, 
und der Chef soll das vermitteln. Der Chef nimmt sie aber nicht 
an, da ihn, wie ihr geantwortet wird, die Sache nichts angehe; 
sie möge sich an den Kriegsminister wenden. Sie begiebt sich denn 
auch zu dem, wird aber, wie Wollmann glaubt, zu spät kommen, 
da bereits unterm 14. an Oberst Krohn geschrieben worden ist, die 
Gerechtigkeit solle ihren Lauf haben.“) 
Wollmann und ich fahren nachmittags bei schneidender Kälte 
und während im Norden heftig geschossen wird, in Rothschilds 
kleiner Kutsche nach Villa Coublay, das auf dem Wege liegt, der 
uns von Ferrieères hierher gebracht hat, und wo sich der für die 
Belagerung der Südseite von Paris bestimmte Geschützpark befindet. 
Es sind etwa achtzig Kanonen und etwa ungefähr ein Dutzend 
Mörser, die in vier langen Reihen aufgestellt sind. Ich hatte mir 
das Aussehen dieser Zerstörungsmaschinen fürchterlicher vorgestellt. 
Man bemerkte, wie über dem Walde im Norden Wolken aufstiegen. 
  
*) Ein Irrtum. Der Brief mag abgegangen sein. Der Betreffende aber, 
Notar Tharel aus Rocroy im Departement der Ardennen, wurde nur nach Deutsch- 
land abgeführt; er saß im Juni 1871 noch in Verden, wo man ihn bald nachher 
auf Verwendung der französischen Regierung freiließ.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.