Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

568 Fünfzehntes Kapitel 23. Dezember 
noch eins, statt ihn totschießen zu lassen, und zuletzt — er gilt 
doch sonst für energisch und geradezu — schickt er mir gar die Frau 
mit einem Saufconduit über den Hals.“ 
Von dieser unklugen Nachsicht kam die Unterhaltung auf den 
Generalstabschef Oberst von Unger,“) der nach Hause gebracht 
worden war, weil er gestörten Geistes sei. Dort brüte er nun meist 
still vor sich hin, bisweilen aber breche er in lautes Weinen aus. 
„Ja — seufzte der Chef —, so ein Generalstabschef ist auch 
ein geplagter Mann. Unaufhörlich zu thun, immer verantwortlich 
und kann nichts durchsetzen und wird immer chikaniert, fast so 
schlimm wie ein Minister.“ — „Ich kenne das selbst mit dem 
Weinen, 's ist Nervenaufregung, Weinkrampf. Den habe ich auch 
gehabt, in Nikolsburg, und so stark, daß mich der Bock stieß.“ 1 — 
„So ein Generalstabschef wird schlecht behandelt, ein Minister 
auch — allerlei Verdrießlichkeiten, Mückenstiche ohne Ende. Man 
ließe sich das andre gefallen, aber gute Behandlung kann man nicht 
entbehren.“ — „Ich wenigstens kann schlechte Behandluug nicht 
vertragen. Wenn ich nicht höflich behandelt werde .“ 
Als der Varziner Wildschweinsrücken auf den Tisch kam, unter- 
hielt sich der Minister mit Lehndorff und Pfuel über die Jagd auf 
die Wald= und Sumpfbewohner und seine Thaten bei solchem Sport. 
Später besprach man den hiesigen Moniteur, und der Chef be- 
merkte: „Da brachten sie in den letzten Wochen auch einen Roman 
von Heyse aus Meran. Solch sentimentales Zeug gehört nicht in 
ein Blatt, das für das Geld des Königs erscheint; denn das ist 
es doch. Die Versailler wollen das auch nicht. Sie verlangen 
politische Berichte und militärische Sachen aus Frankreich, aus 
England, meinetwegen aus Italien, aber nicht solch süßliches Ge- 
wäsch. Ich bin doch auch eine poetisch angehauchte Natur, aber 
ich erinnere mich nicht, je auf dieses Feuilleton einen Blick geworfen 
zu haben, nachdem ich die ersten paar Sätze angesehen hatte.“ 
Abeken, der die Aufnahme des Romans veranlaßt haben soll, 
verteidigte die Redaktion und sagte, sie habe ihn der Revue des 
  
*) Vom 7. Armeekorps. 
1 G. u. E. II, 43.
	        
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