23. Dezember Fünfzehntes Kapitel 569
Deux Mondes entnommen, die doch ein angesehenes französisches
Blatt sei; der Chef blieb aber bei seiner Meinung.
Jemand bemerkte dann, der Moniteur spräche jetzt ein besseres
Französisch.
„Das mag sein,“ versetzte der Minister. „Darauf aber kommt
mirs nicht so sehr an. So sind wir Deutschen aber. Immer fragen
wir, auch in den höchsten Kreisen, danach, ob wir andern ge-
fallen oder bequem sind. Wenn sies nicht verstehen, so mögen sie
Deutsch lernen.“ — „Es ist einerlei, ob eine Proklamation in
schönem französischem Stil abgefaßt ist, wenn sie nur sonst passend
und verständig spricht. Vollkommen werden wir in einer fremden
Sprache doch nicht. Es ist unmöglich, daß einer, der sie nur
etwa dritthalb Jahre bisweilen gebraucht, sich in ihr so gut aus-
drücken kann, wie jemand, der sie vierundfünfzig Jahre immer
gebraucht hat.“
Man lobte die Steinmetzsche Proklamation ironisch und zitierte
wunderliche Sprachproben aus ihr, und Lehndorff sagte: „Feines
Französisch war es nicht, das muß wahr sein, aber deutlich war es.“
Chef: „Ja, das Verstehen ist ihre Sache. Wenn sies nicht
können, mögen sie sich jemand nehmen, ders ihnen übersetzt. Alle
Leute, die sich was wissen nur mit ihrer Gewandtheit im Fran-
zösischen, sind für uns nicht zu brauchen. Das ist aber das Un-
glück bei uns: wer nicht ordentlich deutsch spricht, ist schon dadurch
ein gemachter Mann, besonders wenn er dafür englisch radebrecht.
Der alte (ich verstand: Meyendorff) hat mir einmal gesagt: Trauen
Sie keinem Engländer, der das Französische mit richtigem Accent
sprichte und ich habe das meist bestätigt gefunden. Nur Odo Russell
möchte ich ausnehmen.“
Er erzählte sodann, daß der alte Knesebeck einmal zu aller
Verwundrung im Staatsrat aufgestanden sei und um das Wort
gebeten habe. Nachdem er ein Weilchen dagestanden ohne etwas
zu sagen, habe jemand gehustet. Da habe er gesagt: „Ich bitte
mich nicht zu unterbrechen,“ dann sei er noch ein paar Minuten
stehen geblieben, worauf er verdrießlich geäußert habe: „Nun habe ich
vergessen, was ich vorbringen wollte,“ und sich niedergesetzt hätte.
Die Rede kam auf Napoleon den Dritten, und der Chef er-
klärte ihn für beschränkt. „Er ist — so fuhr er fort — viel gut-