Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

576 Fünfzehntes Kapitel 24. Dezember 
die Ebene, wenn auch nicht gerade für die bei Berlin. Aber kleine 
Hügel mit hübschem Laubwald, schnelle klare Bäche, etwa wie in 
Pommern und überhaupt an der Ostsee“ — was ihn dann auf 
verschiedne Ostseebadeorte brachte, von denen er einige recht an— 
mutig, andre langweilig fand. 
Nach Tische ging ich ein paar mal durch die Baumreihen der 
Avenue vor unsrer Straße. Inzwischen brannten sie zu Hause im 
Speisezimmer einen Weihnachtsbaum an, und Keudell bescherte 
Cigarren und Pfefferkuchen. Mir schickte man, da ich zu spät für 
die Feierlichkeit kam, diese Gaben aufs Zimmer. Ich las dann, 
wie jetzt immer, was der Tag an Depeschen und Konzepten ge- 
liefert hatte. Darunter war ein Bericht, wonach Karl von Rumänien 
die Anarchie in seinem Lande satt hat und an einen Staatsstreich 
denkt. Er erwartet dabei, von den Vertragsmächten unterstützt zu 
werden, und erfreut sich in Bezug auf den Plan der Billigung des 
englischen Geschäftsträgers. 1 
Später wurde ich bald nach einander zweimal und dann noch 
einmal zum Chef gerufen. Es soll in mehreren Artikeln auf die 
grausame Kriegführung der Franzosen, nicht bloß der Franctireurs, 
sondern auch der Regulären aufmerksam gemacht werden, die bei- 
nahe täglich die Genfer Bestimmungen verletze und von ihr nur das 
zu kennen scheine und anrufe, was den Franzosen vorteilhaft sei. 
Dabei ist des Schießens auf Parlamentäre, der Mißhandlung und 
Ausplünderung von Arzten, Krankenträgern und Lazarettgehilfen, 
der Ermordung von Verwundeten, des Mißbrauchs der Genfer 
Binde durch Franctireurs, der Anwendung von Explosivkugeln (im 
Beckedorffschen Fall) und der völkerrechtswidrigen Behandlung der 
Schiffe und Mannschaften der deutschen Handelsflotte zu gedenken, 
die von französischen Kreuzern aufgebracht worden sind. Dann 
wäre zu schließen: Die gegenwärtige französische Regierung trägt 
  
1 Der Fürst hatte in gleichlautenden Briefen an die Herrscher der Schutz- 
mächte vom 7. Dezember erklärt, daß der bevorstehende Kongreß die Zukunft 
Rumäniens im Sinne eines starken und ständigen Regiments regeln möge. Graf 
Bismarck riet ihm am 9. Dezember telegraphisch, jeden Schritt derart bis nach 
dem Friedensschlusse mit Frankreich zu verschieben, worauf der Fürst am 14. De- 
zember antwortete, der Rat komme zu spät. Aus dem Leben König Karls von 
Rumänien II, 134 ff.
	        
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