Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

578 Fünfzehntes Kapitel 25. Dezember 
Rouen hierher zu kommen vorhat. Er und Persigny wollen Be— 
rufung des alten Gesetzgebenden Körpers, noch mehr aber des 
Senats, der aus ruhigern und reifern Elementen bestehe, um den 
Frieden zu beraten. Ferner soll der Chef an den König eine Vor— 
stellung wegen konzentrierterer Kriegführung gerichtet haben, die sich 
aus politischen Gründen empfehle. Endlich scheint jetzt sicher zu 
sein, daß mit der Beschießung von Paris Ernst gemacht werden 
wird und zwar in den allernächsten Tagen. So deutet man wenig— 
stens den soeben ergangnen Befehl des Königs, durch den General— 
leutnant von Kameke, bisher Kommandeur der 14. Infanterie- 
division, zur einheitlichen Führung der Genietruppen und der General= 
major Prinz Hohenlohe-Ingelfingen zur obersten Leitung der Be- 
lagerungsartillerie ernannt wird.1# 
Bei Tische heute kein Gast zugegen, und das Gespräch meist 
ohne des Aufzeichnens werte Außerungen. Doch mag folgendes 
notiert werden. Abeken ließ in die Erörterung, ich weiß nicht mehr, 
welchen Themas, die Bemerkung einfließen, ich führe ein sehr ge- 
naues Tagebuch. 
Bohlen bestätigte das in seiner lebhaften Weise, indem er be- 
hauptet: „Ja, der schreibt hinein: Um drei Uhr fünfundvierzig 
Minuten sagte mir Graf oder Baron Soundso das und das, als 
ob ers in Zukunft beschwören wollte.“ 
  
1 Dies erreichte Roon durch Vortrag beim König am 23. Dezember: 
„Heute habe ich den König bestimmt, die ganze Angelegenheit in bessre Hände 
zu legen, aber warum war das vor acht Wochen nicht möglich? Weil mir alles 
widersprach und den König dadurch abhielt, sich mit Entschiedenheit zu entschließen.“ 
Denkwürdigkeiten III4, 267, vom 24. Dezember: „Heute wo es offne Gegner der 
von mir vertretnen Ansichten gar nicht mehr giebt, wo ich die traurige und un- 
genügende Satisfaktion habe, daß meine Anordnungen und Vorschläge nunmehr 
widerspruchslos ausgeführt werden, bin ich natürlich redelustiger, wenn auch sonst 
keineswegs lustiger überhaupt, denn ich bin mir bewußt, wieviel kostbarer und 
blutiger meine Ratschläge heute durchzuführen sind, als noch vor sechs Wochen, 
wo man, statt sie zu befolgen, mich krank ärgerte,“ a. a. O. 269 f., vom 25. De- 
zember: „Bismarck hält mich jetzt ziemlich warm, weil seine Spannung mit 
Moltke (und besonders mit dessen Planeten) seitdem seit der im Texte ange- 
deuteten Vorstellung] bedenklich zugenommen hat," a. a. O. 271. Am 28. De- 
zember hatten Prinz Hohenlohe und Kameke Audienz beim König. Schneider 
III, 132.
	        
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