Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

8. Juni, 7. Juli Erstes Kapitel 31 
Am 8. Juni reiste der Minister wieder ab und zurück auf 
seine hinterpommersche Herrschaft.1 
Als die Verwicklung mit Frankreich wegen der Besetzung des 
spanischen Thrones mit dem Erbprinzen von Hohenzollern begann, 
kamen sofort, von Bucher verfaßt,? in Telegrammen und Briefen 
Weisungen vom Chef an, die teils kurze Notizen, teils Entwürfe 
zu Artikeln, teils ausgeführte Aufsätze enthielten, die nur zu feilen 
oder durch Thatsächliches zu ergänzen waren. Diese Sendungen 
häuften sich, wurden aber immer mit der Lust und der Kraft, die 
das Bewußtsein gab, daß eine große Zeit im Anbrechen, und daß 
es eine Ehre sei, dabei mitwirken zu dürfen, ohne Verzug und fast 
ausnahmslos schon am Tage ihres Eintreffens erledigt. Im Nach- 
stehenden lasse ich diese (die chiffrierten Telegramme in etwas 
andrer Fassung und Stellung der Worte, das Übrige genau so, 
wie es mir zuging) folgen. 
Am 7. Juli abends Telegramm an mich von Varzin: Die 
offiziösen Blätter sollen andeuten, daß eine Erörterung der spanischen 
Thronfolgefrage gegenwärtig, wo die Cortes sich in dieser von 
ihnen allein zu entscheidenden Angelegenheit noch nicht geäußert, 
noch nicht an der Zeit zu sein scheine. Von den deutschen Re- 
gierungen sei die spanische Unabhängigkeit in derartigen Dingen 
allezeit gewahrt worden, und das werde auch ferner geschehen, da 
  
zu Anfang Juni, zeigte sich Leopold unter gewissen Bedingungen bereit, die 
Krone anzunehmen. Graf Bismarck förderte diesen Entschluß aufs nachdrück- 
lichste, auch König Wilhelm erklärte sich jetzt einverstanden. Mit dieser Meldung 
reiste Salazar am 23. Juni nach Spanien zurück. Das Geheimnis war bis 
dahin so streng gewahrt worden, daß auch der spanische Botschafter Olozaga in 
Paris nichts von der Sache wußte. Ein „Mißverständnis“ bei der Dechiffrierung 
einer von Berlin nach Madrid bestimmten Depesche hatte jedoch die Folge, daß 
die Cortes, die sofort zur Königswahl vorschreiten sollten, am 24. Juni ge- 
schlossen und bis zum 31. Oktober vertagt wurden. Damit war die Möglichkeit, 
überraschend eine vollendete Thatsache zu schaffen, ehe eine feindliche Einwirkung 
dazwischen treten konnte, verspielt. Das nun Folgende ist allgemein bekannt. — 
Aus dem Leben König Karls von Rumänien II, 57. 62. 66. 68. 70. 75 ff. 79. 80 f. 
90. 92 f. 96. 98. — Fürst Bismarck, Gedanken und Erinnerungen II, 78 ff. 
Zur Beleuchtung vergl. vor allem E. Marcks, Kaiser Wilhelm I., 269 ff. 
1 Bismarck-Regesten I, 395. 
* Bucher war vom 30. Juni bis 14. Juli in Varzin, s. Poschinger, 
Neue Tischgespräche und Interviews II, 47.
	        
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