Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

19., 20. Juli Erstes Kapitel 43 
des Publikums stattgefunden habe. Derselbe lautete: „Aus der 
Mazaredoschen Broschüre ist bekannt, daß der Erbprinz von Hohen— 
zollern die Annahme des ihm gewordnen Anerbietens dem Könige 
in Ems wahrscheinlich zu Ende Juni angezeigt hat. Se. Majestät 
befand sich in Ems zum Gebrauch einer Kur und gewiß nicht in 
der Absicht, Staatsgeschäfte zu betreiben, weil keiner der Minister 
nach Ems befohlen war. Und in der That ist die Erwiderung des 
Königs auf die Mitteilung des Erbprinzen in der Form eines eigen— 
händigen Berichts erfolgt, über dessen Inhalt äußerlich nur soviel 
verlautet hat, daß Seine Majestät von dem Vorgange nicht an— 
genehm berührt worden ist, zu einem Widerspruch aber sich nicht 
berufen gefunden hat. Eine Staatsaktion irgend welcher Art ist 
in diesem ganzen Geschäfte nicht vorgekommen. Diese rechtliche Lage 
scheint bei ihrer öffentlichen Beurteilung bisher nicht gewürdigt 
worden zu sein. Man hat ohne weitere Erwägung den König in 
seiner Privatkorrespondenz und den König an der Spitze der Staats— 
regierung zusammengeworfen, ohne zu überlegen, daß Handlungen 
des letztern, im Sinne der Verfassung »Regierungsakte«, nur dann 
vorliegen, wenn eine ministerielle Mitwirkung dazu tritt. Nur das 
französische Kabinett scheint sich den Unterschied vollständig klar 
gemacht zu haben, indem es die ganze Wirkung seiner Diplomatie 
gegen die ihrer Gesundheit im Bade lebende Person des Königs 
gerichtet hat, um dort, wo das Privatleben des Königs nicht mit 
dem Schutze der sonst üblichen Formen umgeben war, von ihm 
vermöge staatlichen Drucks Privathandlungen zu erpressen, die dann 
als Staatsaktionen, als Regierungshandlungen ausgegeben werden 
sollten.“ 
19. Juli. Etwa eine Stunde nach Eröffnung des Reichstags 
im königlichen Schlosse, 1 Uhr 45 Minuten mittags, übergab der 
französische Geschäftsträger Le Sourd im Auswärtigen Amte die 
Kriegserklärung Napoleons. 
20. Juli. Gegen 5 Uhr nachmittags zum Minister in den 
Garten hinter dem Hause gerufen, sah ich ihn nach einigem Suchen 
mit einem dicken Stocke in der Luft fechtend in dem langen Lauben- 
gange links daher kommen, der bis an den Eingang der König- 
grätzer Straße fortläuft. Die Nachmittagssonne umgab ihn mit 
ihrem gelben Lichte wie ein Bild in Goldgrund. Als ich ihn er-
	        
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