11. August Zweites Kapitel 59
Wahrscheinlichkeit nach wenig andre Fahrgelegenheit für uns gab.
Bedeckter Himmel und ein feiner Sprühregen trugen nicht bei, die
durch solche Betrachtungen erzeugte ungeduldige, besorgte und ver-
drießliche Stimmung zu verbessern. Wir hatten etwa zwei Stunden
vergeblich auf das Pfeifen unsers Dampfwagens zum Aufbruch ge-
wartet, als Deichmann wieder aus der Not half. Er verschwand,
und als er nach einer Weile wiederkam, hatte er den Müller drunten
gewonnen, uns mit seinem Gespann nach der Stadt zu bringen.
Deichmann hatte aber dem vorsichtigen Manne versprechen müssen,
dafür zu stehen, daß die Soldaten ihm die Pferde nicht wegnähmen.
Während der Fahrt erzählte uns der Müller, daß die Preußen
ihre Vorposten schon bis in die Nachbarschaft von Metz vorgeschoben
haben sollten. Zwischen neun und zehn Uhr waren wir in Sankt
Johann, der auf dem rechten Ufer der Saar gelegnen Vorstadt von
Saarbrücken, wo wir nicht viel von der einige Tage vorher er-
folgten Beschießung durch die Franzosen, sonst aber schon ein recht
buntes und lebendiges Bild kriegerischer Zustände sahen. Ein Gewirr
von Marketenderkarren, Bagagewagen, Soldaten zu Fuß und zu
Pferde, Johannitern mit der Kreuzbinde und dergleichen bewegte
sich durch die Straßen. Hessische Truppen zogen vorbei, Dragoner
und Artillerie; die Reiter sangen: „Morgenrot, leuchtest mir zum
frühen Tod.“
Im Gasthofe, wo wir uns umzogen, erfuhr ich, daß der Bundes-
kanzler noch im Orte war und bei dem Kaufmann und Fabrikanten
Haldy Quartier genommen hatte. 1 Es war also trotz allem Auf-
enthalt auf der Herreise nichts versäumt worden, und ich hatte
glücklich den Hafen erreicht, aber allerdings mit genauer Not; denn
als ich zu Haldy ging, um mich als eingetroffen zu melden, hörte
ich schon auf der Treppe von Graf Bismarck-Bohlen, dem Vetter
1 Abeken (Heinrich Abeken. Ein schlichtes Leben in bewegter Zeit. Berlin,
1898) nennt ihn S. 385 „einen reichen Kohlen= und Hüttenbesitzer“ (Brief aus
Saarbrücken, 9. August 1870 abends). Abekens Briefe stellen die genaueste Parallele
mit diesen Tagebuchblättern dar, nur sind sie meist weniger ausführlich als diese
und bei weitem nicht so anschaulich. Im übrigen war die gesellschaftliche und
amtliche Stellung der beiden Männer sehr verschieden, denn Abeken war Geheimer
Rat und stand in ganz persönlichem Verkehr mit dem König, Busch ein titelloser,
diätarisch beschäftigter Schriftsteller, der dem König nicht einmal vorgestellt wurde.