Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

11. August Zweites Kapitel 63 
sofort an die Einrichtung eines Büreaus, wo es dann selten an 
Arbeit mangelte, zumal, wenn uns der Feldtelegraph erreicht 
hatte, und der Kanzler durch ihn wieder geworden war, was er 
in dieser Zeit mit kurzen Unterbrechungen immer gewesen ist, der 
politische Mittelpunkt der zivilisierten Welt Europas. Auch da, wo 
nur für eine Nacht Halt gemacht wurde, erhielt er, selbst rastlos 
thätig, seine Umgebung bis spät in fast nie abreißender Geschäftig- 
keit. Feldjäger kamen und gingen, Boten brachten Briefe und 
Telegramme und schafften deren fort. Die Räte verfaßten nach den 
Weisungen ihres Chefs Noten, Erlasse und Verfügungen, die Kanzlei 
kopierte und registrierte, chiffrierte und dechiffrierte. Von allen 
Richtungen der Windrose strömte Material in Berichten und An- 
fragen, Zeitungsartikeln und dergleichen herzu, und das Meiste davon 
erheischte unverzügliche Erledigung. 
Die fast übermenschliche Befähigung des Kanzlers zu arbeiten, 
schöpferisch, aufnehmend, kritisch zu arbeiten, die schwierigsten Auf- 
gaben zu lösen, überall ohne Verzug das Rechte zu finden und das 
allein Geeignete anzuordnen, war vielleicht nie so bewundernswert 
wie während dieser Zeit, und sie war in ihrer Unerschöpflichkeit um 
so erstaunlicher, als nur wenig Schlaf die bei solcher Thätigkeit auf- 
gewandten Kräfte ersetzte. Wie daheim stand der Minister auch im 
Felde, wenn ihn nicht eine zu erwartende Schlacht schon vor Tages- 
anbruch an die Seite des Königs und zum Heere rief, meist spät, 
in der Regel gegen zehn Uhr auf. Aber er hatte dann die Nacht 
durchwacht und war erst mit dem durchs Fenster scheinenden Morgen- 
lichte eingeschlafen. Oft kaum aus dem Bette und noch nicht in 
den Kleidern, begann er schon wieder zu denken und zu schaffen, 
zu studieren, den Räten und andern Mitarbeitern Instruktionen zu 
erteilen, Fragen vorzulegen und Aufgaben der verschiedensten Art 
zu stellen, selbst zu schreiben oder zu diktieren. Später waren Be- 
suche zu empfangen oder Audienzen zu geben, oder es war dem 
Könige Vortrag zu halten. Dann wieder Studium von Depeschen 
und Landkarten, Korrektur von befohlnen Aufsätzen, Niederschrift 
von Konzepten mit den bekannten großen Bleistiften, Abfass sung von 
Briefen, Information zu Telegrammen oder Außerungen in der 
Presse und dazwischen mitunter abermals Empfang unabweislicher 
Besuche, die zuweilen nicht willkommen sein konnten. Erst nach
	        
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