Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

68 Drittes Kapitel 11. August 
zerschneiden, und zwar von Rechts wegen. Dann aber wirds heißen, 
der Graf Bismarck hat sie mitgenommen.“ 
Man kam dann auf den Aufmarsch der Truppen zu reden, 
und der Minister sagte, Steinmetz habe sich dabei eigenwillig und 
ungehorsam gezeigt. „Er wird — so schloß er — mit seiner Eigen— 
mächtigkeit trotz seiner Lorbeeren von Skalitz noch Schaden nehmen 
wie Vogel von Falckenstein.“ 1 
Wir hatten vor uns Kognak, Rotwein und Mainzer Schaum- 
wein. Jemand sprach vom Bier und meinte, daß uns das fehlen 
werde. Der Minister erwiderte: „Das schadet nichts. Die weite 
Verbreitung des Bieres ist zu beklagen. Es macht dumm, faul 
und impotent. Es ist schuld an der demokratischen Kannegießerei, 
zu der sie sich dabei zusammensetzen. Ein guter Kornbranntwein 
wäre vorzuziehen.“ 
Ich weiß nicht mehr, durch wen und in welchem Zusammen- 
hange die Mormonen auf das Tapet gebracht wurden. Der Minister 
wunderte sich über ihre Vielweiberei, „da die germanische Rasse doch 
nicht soviel vermag; mit den Orientalen soll es besser bestellt sein.“ 
Dann lenkte das Gespräch auf die Frage ab, wie man in den 
Vereinigten Staaten eine solche polygamische Sekte dulden könne. 
Der Graf ergriff dabei die Gelegenheit, sich über Religionsfreiheit 
überhaupt zu äußern, und zwar erklärte er sich entschieden für 
diese, nur müsse sie, setzte er hinzu, unparteiisch gehandhabt werden. 
„Jeder muß nach seiner Facon selig werden können,“ sagte er. „Ich 
werde das einmal anregen, und der Reichstag wird sicher dafür sein. 
Das Kirchenvermögen aber muß natürlich denen verbleiben, die bei 
der alten Kirche bleiben, die es erworben hat. Wer austritt, muß 
seiner Überzeugung, oder vielmehr seinem Unglauben ein Opfer 
bringen können.“ — „Den Katholiken nimmt man es wenig übel, 
wenn sie orthodox sind, den Juden gar nicht, den Lutheranern aber 
sehr, und die Kirche wird fortwährend als verfolgungssüchtig ver- 
schrieen, wenn sie die Nichtorthodoxen abweist; davon aber, daß die 
  
1 Verdy du Vernois, Im großen Hauptquartier 1870/71, S. 23: 
„Manche seiner persönlichen, so hoch stehenden militärischen Eigenschaften machten 
ihn — auch leicht zu einem schwierigen Untergebnen, und seine Selbständigkeit 
ließ Reibungen befürchten, wenn er an der Spitze einer Armee einem Oberbefehl 
untergeordnet war.“
	        
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