12. August Drittes Kapitel 69
Orthodoxen von der Presse und im Leben verfolgt werden und ver-
spottet — das finden die Leute ganz in der Ordnung.“
Nach dem Essen gingen die Räte mit dem Bundeskanzler im
Garten spazieren, in dem man, zur Hausthür hinaustretend, in
einiger Entfernung rechts ein großes Gebäude sah, auf dem die
weiße Fahne mit dem roten Kreuze flatterte, und aus dessen Fenstern
Nonnen mit Lorgnons nach uns herüberblickten. Es war ver-
mutlich ein Kloster, das man in ein Spital umgewandelt hatte.
Abends äußerte einer der Chiffreure starke Unruhe und Besorgnis
wegen eines Überfalls, und man beriet, was mit den Mappen, in
denen sich die Staatsschriften und die Chiffres befanden, dann zu
thun sei. Ich suchte zu beschwichtigen und erbot mich für den Notfall,
zur Rettung oder Zerstörung der Papiere nach bestem Vermögen
mitzuwirken. .
DieHerrenhattensichohneNotgesorgtundgeängstigt.1Die
Nacht war ruhig verlaufen, als der Morgen und der Kaffee sich
einstellten. Ihnen folgte auf dem Fuße ein grüner Feldjäger aus
Berlin mit Depeschen. Solche Boten haben Flügelsohlen, und
dennoch war unsrer nicht schneller gereist als ich und meine Furcht,
zu spät einzutreffen. Er war Montag den 8. August aufgebrochen
und hatte mehrmals Extrapost genommen, und doch hatte er bis
zu uns fast viermal vierundzwanzig Stunden gebraucht; denn wir
schrieben jetzt den 12. In den Frühstunden half ich wieder den
Chiffreuren bei ihrer Arbeit. Später, während der Chef beim Könige
war, besuchte ich mit den Räten die große hübsche Stadtkirche, in
der uns ein Kaplan herumführte. Nachmittags, wo der Minister
ausgeritten war, besahen wir uns den preußischen Artilleriepark, der
am Berge hinter dem Orte aufsgestellt war.
Um vier Uhr wurde, nachdem der Kanzler zurückgekehrt war,
gespeist. Er war weit weggewesen, um seine beiden Söhne, die
als Gemeine bei den Gardedragonern dienen, aufzusuchen, hatte
aber erfahren, daß die deutsche Kavallerie schon bis an die obere
1 Ebenso Abeken S. 389 vom 12. August morgens. Thatsächlich war
infolge einer Eigenmächtigkeit von Steinmetz die direkte Straße von Avold nach
Metz „völlig von unsern Truppen frei“; erst am Abend wurde deshalb das
15. Ulanenregiment „auf diese Straße gesetzt, damit wir doch einigen Schutz in
unmittelbarer Richtung auf die Franzosen hatten.“ Verdy du Vernois, 68.