26. Januar Achtzehntes Kapitel 87
mit Chassepots bewaffnet gewesen. Indes die Gründe, die der
Chef für seine Enthaltsamkeit anführte, schienen mir doch erheblich
schwerer zu wiegen als diese. 1
Als ich mit dem Niederschreiben dieser Gespräche gegen zwei
Uhr nachts zu stande gekommen war, donnerten die schweren Ge-
schütze im Norden noch immer Schuß auf Schuß, und namentlich
der Mont Valérien lärmte wie ein Vulkan.
26. Januar, Donnerstag. Es ist helles Wetter und wieder
ziemlich kalt. Heftiges Schießen, als ich noch im Bette lag. Zu
den Aufzeichnungen von gestern abend ist eine interessante Außerung
des Kanzlers nachzutragen.
Als Bismarck-Bohlen beim Thee sagte: „Das ist doch ein
hübscher Einfall, das Bild im Kladderadatsch: Napoleon, wie er
auf die Eisenbahn wartet und sagt: Er pfeift schon. Er hat den
Hermelinmantel für die Tour nach Paris um und die Reisetasche
in der Hand,“ erwiderte der Chef: „Ja, der denkt wohl so, und er
kann Recht haben. Aber ich fürchte, er wird das Einsteigen ver-
säumen. Es bleibt am Ende doch kein andrer Weg. Das kann
sich leichter machen, als Favre zu überzeugen ist. Aber er braucht
immer die Hälfte der Armee, um sich zu behaupten."
Dabei fällt mir auch die patriotische Wut ein, die vorgestern
früh die Gärtnersfrau entwickelte, die mir die Stube auskehrt und
das Bett macht. Sie heißt Marie Lodier und ist eine kleine Person,
von etwas hektischem Aussehen, mit großen dunkeln Augen, sehr
lebhaft und ziemlich aufgeweckt, obwohl sie weder lesen noch schreiben
kann. Als ich ihr sagte, nun werde Paris in wenigen Tagen in
unsern Händen sein, wollte sie es durchaus nicht glauben. Paris,
meinte sie, wäre uneinnehmbar, unüberwindlich, durch Kanonen nicht
zu bezwingen, vielleicht durch Hunger. Wenn sie aber drin zu be-
fehlen hätte, fuhr sie mit blitzenden Augen und in größter Erregtheit
fort, so würde sie sich nicht ergeben, und wenn sie verhungern müßte.
Der Chef fuhr um halb elf Uhr zum Könige.: Wir ließen
1 Vgl. auch G. u. E. II, 52/3. 92/3. 178. 230.
Schneider III, 170: „Von dem Erscheinen des Herrn Favre an wohnte
Graf Bismarck wieder den stäglichen]) Generalsvorträgen bei.“ An diesem Tage
wurde über die Bedingungen des Waffenstillstandes und der Übergabe von Paris
verhandelt. Kaiser Friedrichs Tagebuch vom 26. Januar.