Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

88 Achtzehntes Kapitel 26. Januar 
uns mittlerweile von einem Berliner in großer Gruppe vor der 
Gartenseite des Hauses photographieren, der Minister soll später 
im Vordergrunde des Bildes die Mitte einnehmen. 
Nach dem Frühstück erzählte mir Bucher Verschiednes von der 
Kronprinzessin. Unter anderm hatte der Chef ihm in Varzin mit— 
geteilt, daß sie 1866 zu ihm gekommen sei und ihn gebeten habe, 
„dem Onkel Ernst“ den Wald von Schmalkalden zu verschaffen, den 
er so gern haben möchte. „Ich dachte, wenn ichs thäte — hatte 
der Minister hinzugefügt —, so würde sie dafür dankbar sein und 
eine bessere Ansicht von unsrer letzten Politik kriegen. Aber kaum 
hatte der den Wald, so war sie ganz wie vorher.“ Bucher knüpfte 
daran eine Anzahl anmutiger Historien vom englischen Hofe, nament— 
lich vom Prinzen von Wales. . .. Ein angenehmer Charakter, der 
für die Zukunft Schönes hoffen läßt und dem widerwärtigen Volke 
wohlbekommen möge. « 
Gegen zwei Uhr, nicht lange nachdem der Chef vom Könige 
zurückgekehrt ist, kommt Favre wieder. Als er sich nach einiger 
Zeit entfernt, um wieder nach Paris zu fahren, hört man, daß 
ausgemacht worden sei, er solle morgen schon um acht Uhr früh 
wiederkommen und zwar in Begleitung eines Generals, mit dem 
über die militärischen Fragen zu verhandeln wäre. — über die 
militärischen Fragen der Kapitulation nämlich! Denn darum handelt 
es sich jetzt wirklich. Es geht mit Paris auf die Neige. Das 
Bombardement hat im Süden, noch mehr aber im Norden gut 
gewirkt, und der Brotkorb will leer werden. 
Ich fahre mit Landgraf nach Ville d'Avray, wo wir tüchtig 
herüber und hinüber schießen sehen. Kurze rötliche Blitze zucken 
aus einer in dunstiger Ferne gelegnen französischen Batterie auf. 
Rechts — wahrscheinlich von Meudon aus — wird von unsrer 
Seite geschossen. Wieder scheint es in der Stadt zu brennen. Wir 
fahren über Sevres zurück, wo wir an vier Häusern Spuren von 
französischen Granatschüssen gewahren. 
Als ich Hatzfeldt von diesem Ausflug erzählte, äußerte er: 
„Ach, wenn ich das Schießen und den Brand doch auch gesehen 
hätte. Es ist vielleicht das letzte mal Gelegenheit dazu. Bei Nacht 
unterscheidet sich das Feuer wohl besser, wenn ich nur einen Ort 
wüßte, wo.“ Ich erbot mich, wenn der Chef mir Urlaub gäbe,
	        
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