Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

26. Januar Achtzehntes Kapitel 89 
noch diesen Abend mit ihm hinauszufahren und ihm eine gute Aussicht 
zu zeigen. (Er fuhr später — ich glaube, mit Bohlen — hinaus, 
sie sahen aber nichts.) 
Bei Tische waren Herr Hans von Rochow und Graf Lehndorff 
zugegen. Der Chef sprach von Favre und sagte u. a.: „Er erzählte 
mir, an Sonntagen, da sähe man die Boulevards noch voll von 
wohlgekleideten und geputzten Frauen mit hübschen Kindern. Ich 
erwiderte: »Das wundert mich, die haben Sie noch nicht aufge— 
gessen?«“ 
Es wurde ferner davon gesprochen, daß heute mit besondrer 
Heftigkeit bombardiert würde, und der Minister bemerkte dazu: „Ich 
erinnere mich, wir hatten da beim Gericht einmal einen Unter— 
beamten — ich glaube, Stepki hieß er —, der hatte das Prügeln 
zu besorgen. Der hatte die Gewohnheit, die drei letzten allemal 
mit besondrer Kraft auszuteilen — zum heilsamen Gedächtnis." 
Die Rede kam auf Strousberg, und jemand machte die Be- 
merkung, daß der jetzt „Pleite gehen“ wollte, worauf der Chef 
äußerte: „Er sagte einmal zu mir, ich weiß, ich sterbe einmal nicht 
in meinem Hause. Aber so schnell brauchte das doch nicht zu kommen. 
Vielleicht überhaupt nicht, wenn nicht der Krieg kam. Er deckte 
seine Auslagen immer mit neuen Aktien, und das ging, obwohl 
andre Juden, die vor ihm reich geworden waren, ihm nach allen 
Kräften das Spiel zu verderben suchten. Nun aber kam der Krieg, 
und da gingen seine Rumänier herunter, immer weiter, sodaß man 
fragen konnte, was der Zentner koste. — Na, aber ein gescheiter 
Mann und ein rastlos thätiger bleibt er doch.“ 
Von Strousbergs Gescheitheit und Rastlosigkeit brachte jemand 
das Gespräch auf Gambetta, von dem er wissen wollte, daß er 
„durch den Krieg auch seine fünf Millionen verdient habe,“ was 
andre Tischgenossen, ich glaube mit Grund, bezweifelten. 
An den Diktator von Bordeaux reihte sich Napoleon, von dem 
Bohlen sagte, es hieße, daß er sich in den neunzehn Jahren seiner 
Regierung mindestens fünfzig Millionen gespart habe. 
„Andre behaupten, achtzig,“ versetzte der Chef. „Ich halte es 
  
1 Ein ähnliches Gerücht erwähnt der Kronprinz in seinem Tagebuche vom 
30. Januar.
	        
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