Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

90 Achtzehntes Kapitel 26. Januar 
aber für zweifelhaft. Louis Philipp hatte das Geschäft verdorben. 
Der ließ Emeuten machen und dann an der Amsterdamer Börse 
kaufen, und das merkte die Geschäftswelt zuletzt.“ 
Hatzfeldt oder Keudell bemerkte, zu demselben Zwecke sei der 
betriebsame König auch von Zeit zu Zeit krank geworden. 
Darauf sprach man davon, daß unter dem Kaeiserreiche be- 
sonders Morny sich darauf verstanden habe, mit allen Mitteln Geld 
zu machen, und der Chef erzählte: „Wie der zum Gesandten in 
Petersburg ernannt worden war, kam er mit einer ganzen langen 
Reihe schöner, eleganter Wagen an — ich glaube, es waren drei- 
undvierzig, und alle Koffer, Kisten und Kasten voll Spitzen und 
Seidenzeug und Damenputz, wofür er als Botschafter keinen Zoll 
zu zahlen hatte. Jeder Diener hatte seinen eignen Wagen, jeder 
Attaché oder Sekretär mindestens zwei, und er selber hatte wohl 
fünf oder sechs, und wie er ein paar Tage da war, verauktionierte 
er das alles, Wagen und Spitzen und Modesachen. Er muß 
wenigstens achtmalhunderttausend Rubel dabei verdient haben. — 
Er war ein Dieb, aber ein liebenswürdiger Dieb — er konnte 
wirklich sehr liebenswürdig sein,“ was er dann weiter ausführte und 
mit Beispielen belegte. 
Dann fuhr er fort: „In Petersburg verstanden sie sich übrigens 
auch darauf — die Leute von Einfluß. Nicht, daß sie direkt Geld 
genommen hätten. Aber wenn jemand was wollte, da ging er in 
einen bestimmten französischen Laden und kaufte zu teuern Preisen 
für fünf= oder sechstausend Rubel Spitzen, Handschuhe oder Schmuck- 
sachen. Der französische Laden aber arbeitete für Rechnung des 
Beamten oder seiner Frau. Wenn das alle Wochen ein paar mal 
geschieht, kommt im Jahre auch was zusammen.“ 
Er erzählte dann die Geschichte von dem Finnen, dem er Holz 
abkaufen gewollt, noch einmal, aber etwas anders als vorher. „Er 
war zuerst ganz geneigt, es mir zu lassen,“ sagte er. „Wahrscheinlich 
hielt er mich für einen Kaufmann oder so etwas ähnliches aus den 
Ostseeländern. Als ich ihm aber sagte, es wäre (russische Worte) 
für die preußische Gesandtschaft, da stutzte er. Es hatte ihn offenbar 
bedenklich gemacht. Er fragte, ob das (russische Worte) für die 
Krone wäre. Preußen wäre wohl ein Gouvernement des russischen 
Reiches. Ich sagte ihm, das gerade nicht, aber die Gesandtschaft
	        
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