92 Achtzehntes Kapitel 26. Januar
wäre es ihm gegangen, sehr schlecht. — Nun, was sie ihm denn
gethan hätten? — Ja, sie hätten ihn — nun sie hätten ihn —
körperlich gemißhandelt. — Ich dachte nun, er würde mich zu
Hause verklagen oder in die Zeitungen bringen — in die Volks—
zeitung oder ein andres Organ für jedermann. Die Juden ver—
stehen sich ja darauf, Lärm zu schlagen. Aber er muß sich anders
überlegt haben — er hat nichts von sich hören lassen.“
Abends Konzepte studiert, während draußen in der Welt die
Kanonen brüllten, was namentlich zwischen neun und zehn Uhr
über das gewohnte Maß ging. Der Chef arbeitete in seiner Stube
allein, vermutlich an den Bedingungen von Kapitulation und Waffen—
stillstand, und ließ nichts von sich hören. Unten hieß es, daß ein
Unterhändler Napoleons von Wilhelmshöhe zu uns auf dem
Wege sei.
Die sich immer mehr häufenden Geschäfte haben die Entsendung
eines vierten Sekretärs nach Versailles veranlaßt, der heute ein—
getroffen ist. Es ist ein Herr Zesulka, der als Kopist und Chiffreur
thätig sein wird, bis jetzt aber noch ohne Beschäftigung ist.
Im Theezimmer traf ich gegen halb elf Uhr den Chef im
Gespräch mit den Abgeordneten von Köller und von Forckenbeck.1
Der Kanzler sprach eben davon, daß man bald wieder Geld brauchen
werde. „Wir wollten nichts mehr vom Reichstage verlangen — sagte
er —, da wir nicht dachten, daß der Krieg so lange dauern würde.
Nun habe ich an Camphausen geschrieben, der aber verweist uns
auf Requisitionen und Kontributionen. Die sind jedoch schwer
einzutreiben, da es uns bei dem weiten Raume, über den wir
uns ausgebreitet haben, an Truppen zur Erzwingung fehlt. Um
so ein Land von zwölftausend Quadratmeilen ganz in seine Hände
zu bekommen, müßte man zwei Millionen Soldaten haben.“ —
„Auch ist alles durch den Krieg teurer geworden. Wenn wir
requirieren, kriegen wir nichts. Wenn wir bar bezahlen, kommt
immer noch genug auf den Markt und billiger als in Deutschland.
Der Scheffel Hafer kostet hier vier, aus Deutschland bezogner sechs
1 Beide kamen als Präsidenten des preußischen Abgeordnetenhauses, um.
wie das Herrenhaus schon am 1. Januar 1870 gethan hatte, am 27. Januar
dem Kaiser eine Adresse zu überreichen. Schneider III, 170. 137. Forcken-
beck war auch beim Kronprinzen, Tagebuch vom 28. Januar.