28. Januar Achtzehntes Kapitel 101
staub. An die Wände hatten Soldaten und andrer Besuch ihre
Namen und Spott auf den Gallier in deutscher und welscher Zunge
geschrieben. Die Terrasse vor dem Schlosse war mit Hacke und
Schaufel aufgewühlt und in eine Art unterirdischen Lagers mit
tiefen Gruben verwandelt. In einer davon war ein Blockhaus—
stübchen mit einem Ofen eingerichtet, das der Feldtelegraphist be—
wohnte. Vorn auf der Terrasse, unmittelbar hinter der Stein—
brüstung, die sie nach der Tiefe des Pariser Kessels hin umgiebt,
war die Batterie mit ihren hochbeinigen schweren Geschützen. Wir
unterhielten uns eine Weile mit dem hier kommandierenden preußischen
Offizier, einem recht netten und mitteilsamen jungen Kriegsmann.
Unter uns sahen wir, zum Teil auf dem Berghange, zum Teil
an seinem Fuße, die Häuser und Gassen der Stadt Meudon, die
noch von den Bewohnern geräumt waren. Zur Rechten blickten
wir in die anmutige Waldschlucht von Clamart hinüber, links in
der Ferne schimmerte in der Nachmittagssonne der Bogen der Seine,
und zwischen beiden, mehr nach rechts hin, erhob sich vor uns auf
einer kahlen Bodenanschwellung das Fort Issy, dessen Kasernen
von unsern Granaten in Ruinen verwandelt waren.
Zurückgekehrt nach Versailles, war ich mit Haber und Fried—
länder, die beide Leutnants geworden waren, eine halbe Stunde
im Hotel de Chasse.
Abends dinierten die Franzosen bei uns. Da wir der zahl—
reichern Tischgenossenschaft wegen weiter wie gewöhnlich ausein—
ander saßen, und die Pariser Gäste meist nicht laut sprachen, so
lieferte die Unterhaltung wenig Stoff zum Aufzeichnen. Der General
(er heißt Valden) aß wenig und sprach fast gar nicht. Auch Favre
war kleinlaut und wortkarg. Der Adjutant, ein Herr d'Herisson,
schien sich die Sache nicht so zu Herzen zu nehmen, und die Eisen—
bahnbeamten widmeten sich mit begreiflichem Eifer den lange ent—
behrten Tafelgenüssen. Nach dem, was ich von letztern hören
konnte, war es in der That in Paris seit einiger Zeit äußerst
knapp zugegangen, und die Sterblichkeit hatte in der verflossenen
Woche, wenn ich recht verstand, die Zahl von circa fünftausend
Todesfällen erreicht. Namentlich waren viele Kinder im Alter von
einem bis zwei Jahren gestorben, und allenthalben war man Leuten
mit Särgen für solche kleinen Franzosen begegnet.