29. Januar Achtzehntes Kapitel 109
Chef: „Nun, das ginge noch, die brauchen keine Heizung und
keine Wintersachen,“ was Bohlen in seiner Weise weiter zu Späßen
ausbreitet.
Bohlen oder Hatzfeldt erinnerte dann an eine weitere Anekdote
d'Herissons. Nach dem 4. September erschienen die Pariser Stadt-
sergeanten in verwandelter Gestalt. Schnauz= und Knebelbart waren
abrasiert, nur ein kleiner friedfertiger Backenbart war geblieben. Die
Locke am linken Ohre war ebenfalls weggefallen, desgleichen die
Waffe an der Seite und der militärische Anzug bis auf das Bonnet
de Police. So hatte Keratrys demokratische Weisheit angeordnet.
Ganz Paris lachte. Außerdem war den Wächtern der öffentlichen
Ordnung anbefohlen, auf der Straße immer zu dreien zu erscheinen.
Dies geschah einige Wochen, dann aber geriet der Befehl in Ver-
gessenheit, sie waren immer nur paarweise zu finden, und da sagte
der Volkswitz, als die Lebensmittel knapp wurden: Voild deux
sergeants! Eh, ils ont mangé le troisième!
Hatzfeldt erzählte, daß ein spanischer Gesandtschaftssekretär
dagewesen wäre, der von Bordeaux gekommen sei und nach Paris
hineingewollt habe. Er habe seine Landsleute herausholen wollen,
auch einen Brief von Chaudordy an Favre bei sich gehabt und sehr
eilig gethan. Was man ihm antworten solle?
Der Chef bückte sich ein wenig, richtete sich wieder auf und
sagte: „Depesche von dem einen Mitglied einer feindlichen Regie-
rung durch unser Hauptquartier an ein andres Mitglied zu tragen
versucht, das eignet sich ja ganz zu kriegsgerichtlicher Behandlung.
Fassen Sie die Sache, wenn er wiederkommt, mit Ernst auf, seien
Sie kühl, sehen Sie befremdet aus, und sagen Sie ihm das, und
daß wir bei dem neuen Könige von Spanien wegen Verletzung der
Neutralität Beschwerde führen und Genugthuung fordern würden.
Über Stiehle wundere ich mich übrigens, daß er den Kerl durch-
gelassen hat. Diese Militärs nehmen immer ungebührliche Rücksicht,
wenn es sich um einen von der Diplomatie handelt. Und wenns
ein Botschafter gewesen wäre — Metternich zum Beispiel —, er hätte
ihn abweisen müssen, auch wenn er darüber erfroren oder verhungert
wäre. Solche Postenträgerei grenzt doch dicht an Spionendienst.“
Es wurde dann davon gesprochen, daß jetzt überhaupt ein
großer Zulauf nach Paris und von da heraus drohe.