Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

110 Achtzehntes Kapitel 30. Januar 
Der Chef aber erwiderte: „O, die Franzosen werden nicht viele 
herauslassen, und wir lassen nur die passieren, die von denen drinnen 
einen Erlaubnisschein haben — und vielleicht auch die nicht alle.“ 
Man erwähnte, daß Rothschild schon, mit einem Saufconduit 
versehen, heraus sein sollte. 
Der Chef bemerkte dazu: „Da wäre es doch gut, ihn an— 
zuhalten — als Franctireur, der zu den Kriegsgefangnen gehört.“ 
(Zu Keudell:) „Erkundigen Sie sich doch einmal nach der Sache, 
ich meine das im Ernst.“ 
Bohlen rief: „Da kommt der Bleichröder angefahren und thut 
einen Fußfall im Namen der ganzen Familie Rothschild.“ 
Chef: „Dann schicken wir ihn mit ihm hinein nach Paris, wo 
er die Hundejagd mitmachen kann.“ 
Es war darauf von dem befremdenden Umstande, daß im Daily 
Telegraph bereits ein genauer Auszug aus der gestern unterzeich- 
neten Konvention zu lesen sei, dann, damit in engstem Zusammen- 
hange, von Stieber, Favres Hausgenossen, die Rede. 
„Wie man sich übrigens — fuhr der Chef, hieran anknüpfend, 
fort — über die Leute täuschen kann! Ich erkenne sie ohnehin 
nicht leicht, ehe sie sprechen. Wie ich da in diesen Tagen zu Favre 
ging, sehe ich in der Dämmerung vor der Thür einen Menschen, 
der mich mit Mißtrauen erfüllt. Ich denke, es wird der Bediente 
vom Schwiegersohn Favres sein, der sich da herumtreibt; denn wie 
ein Spanier sah er aus. Da er auf mich zukam, legte ich die Hand 
an den Degengriff, um ihn gleich bereit zu haben und gebrauchen 
zu können. Da grüßte er mich: Guten Abend, Exzellenz, und 
wie ich mir ihn genauer betrachte, ist es Stieber.“ 
30. Januar, Montag. Wetter früh nebelig, Kälte mäßig, 
etwa Gefrierpunkt. Favre soll nicht in Versailles geblieben, sondern 
noch spät nach Paris zurückgekehrt sein. Ich telegraphiere Ver- 
schiednes nach Berlin, Köln und London: die ohne Hindernis von 
uns vollzogne Besetzung der Forts von Paris, die Möglichkeit, 
daß es dort zu einer Hungersnot käme, die Schwierigkeit rascher 
Proviantzufuhr aus der Ferne und unfre Bereitwilligkeit, aus 
unsern Vorräten mit dem augenblicklich Notwendigen zur Ab- 
wendung der Gefahr beizutragen; auch soll in der Presse vor Zu- 
drang nach dem Hauptquartier gewarnt werden.
	        
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