Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

30. Januar Achtzehntes Kapitel 113 
Er scheint sich noch bedenken zu wollen; denn er hat noch nicht 
geantwortet. Aber ich denke, zuletzt wird auch er klein beigeben. 
Übrigens, wenn nicht, auch gut. Eine kleine Mainlinie in Frank- 
reich wäre mir nicht gerade unangenehm.“ — — — 
Dann fuhr er fort: „Diese Franzosen sind doch eigentlich recht 
komische Menschen. Favre kommt zu mir mit einem Gesicht wie 
ein leidender Heiliger und macht dazu eine Miene, als hätte er 
mir die wichtigsten Dinge mitzuteilen. Ich sage ihm, als ich das 
sehe: »Wollen wir nicht hinaufgehen?« — »Ja — sagt er —, 
gehen wir hinauf.« Aber oben setzt er sich dann hin und schreibt 
Briefe über Briefe, und vergebens warte ich auf eine bedeutende 
Außerung oder Nachricht von ihm. Er hatte mir eben nichts zu 
sagen.“ — „Was er für uns leistet, geht auf zwei kleine Briefseiten.“ 
— „AUnd dieser Polizeipräfekt! In meinem Leben habe ich keinen 
unpraktischern Menschen gesehen. Bei allem sollen wir raten und 
helfen. Er hat mich in einer halben Stunde wohl um allerlei 
Dinge gebeten, und ich wäre zuletzt fast ungeduldig geworden. Ich 
sagte ihm endlich: „Aber lieber Herr, wollen Sie mir das nicht 
lieber schriftlich geben? Ich kann das doch unmöglich alles im Ge- 
dächtnis behalten, und nur so kann es ersprießlich erledigt werden. — 
Mir gehen viertausend Sachen durch den Kopf, und wenn ich ernst- 
haft an eine denke, verliere ich die andre aus dem Gesicht.#“ 
Man sprach von den Schwierigkeiten, auf die die Versorgung 
der Pariser mit Lebensmitteln aller Wahrscheinlichkeit nach stoßen 
werde. Mehrere Bahnen seien wenigstens für den Augenblick nicht 
praktikabel, der Bezug von Nahrungsstoffen aus den hinter den 
von uns besetzten Gegenden liegenden Teilen Frankreichs könne 
uns selbst in Not und Verlegenheit bringen, und der Hafen von 
Dieppe, auf den man für die Zufuhr von auswärts rechne, sei nur 
wenige Schiffe aufzunehmen imstande. Der Chef rechnete aus, 
wie viele Portionen täglich etwa gebraucht würden, und wie viele 
man ungefähr herbeischaffen könnte, wenn die Verhältnisse nicht 
zu anormal wären, und fand, daß die Versorgung nur eine kärg- 
liche sein werde und leicht noch viele Menschen durch Hunger zu 
Grunde gehen könnten. Er setzte hinzu: „Favre selbst sagte mir, 
daß sie zu lange ausgehalten hätten. Es ist aber, wie er eingestand, 
bloß, weil sie wußten, daß wir in Lagny Vorräte für sie bereit 
Busch, Tagebuchblätter II 8
	        
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