Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

31 Januar Achtzehntes Kapitel 119 
erst zusammenfaßten. Wenn da die Nationalen siegen über die 
Deutschen, die eingewandert sind, und die aus den Ostseeprovinzen, 
so fallen sie auseinander, da giebts lauter Gemeinden.“ — „Frei- 
lich, ungemischt ists mit den Deutschen auch nicht viel. So im 
Süden und Westen — da gabs, als sie sich selbst überlassen waren, 
nur Reichsritter, Reichsstädte und Reichsdörfer, jedes für sich, da 
ging alles auseinander. Die Deutschen sind gut, wenn sie zu- 
sammengezwungen sind — vortrefflich, unwiderstehlich, nicht zu 
überwinden — sonst aber will jeder nach seinem Kopfe.“1 — „Eigent- 
lich ist doch der wohlwollend, gerecht und vernünftig gehandhabte 
Absolutismus die beste Regierungsform. Wo nicht etwas davon 
ist, da fährt alles auseinander, da will der das und jener dies, 
und es ist ein ewiges Schwanken, ein ewiger Aufenthalt.“ — 
„Aber wir haben keine rechten Absolutisten mehr — ich wollte sagen, 
keine (absoluten) Könige. — Die gehen ab, die Sorte ist ausgestorben. 
Das war doch früher anders, wo sie noch in brokatnen Röcken 
erschienen und mit dem Stern.“ 
Ich erlaubte mir zu erzählen, daß ich mir als kleines Kind den 
König von Sachsen, von dem ich damals allein gewußt habe, wie 
den König auf der deutschen Karte vorgestellt hätte, mit Krone, 
Hermelin, Reichsapfel und Szepter, steif und bunt und immer sich 
gleich, und daß ich dann sehr enttäuscht gewesen wäre, als meine 
Wärterin mich einmal auf den Gang zwischen dem Dresdner Schlosse 
und der katholischen Kirche geführt und mir den König Anton, 
diesen kleinen, krummen, gebrechlichen Greis gezeigt habe, dem die 
Gardeuniform so übel stand. 
Der Chef sagte: „Ja, die Bauern bei uns machten sich auch 
sehr wunderliche Vorstellungen. Da hieß es, wir wären etliche zu- 
sammen gewesen — junge Leute — in einem öffentlichen Lokale 
und hätten da etwas gegen den König gesagt, der dabei gesessen 
hätte, aber unerkannt. Da wäre er plötzlich aufgestanden, hätte 
den Mantel auseinandergeschlagen und den Stern auf der Brust 
  
1 Fast wörtlich so äußerte sich Bismarck schon am 30. April 1868 gegen- 
über Bluntschli, indem er dabei noch die politische Befähigung der Preußen aus 
einer Mischung der germanischen mit der slawischen Art und aus der strengen 
Einordnung des preußischen Adels in den Staat, wie sie die Hohenzollern voll- 
bracht hätten, ableitete; s. Poschinger, Tischgespräche II, 38f.
	        
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