Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

132 Achtzehntes Kapitel 2. Februar 
an. — Das erinnert mich, bei der frühern neapolitanischen Armee, 
da gab es ein Kommandowort — wenn bei uns kommandiert wird: 
"Gewehr zur Attacke rechtslé so hieß es da: Faccia feroce! Alles 
ist bei den Franzosen großartige Stellung, pompöse Redensart, im- 
ponierende Miene wie auf dem Theater. Wenns nur recht klingt 
und nach etwas aussieht — der Inhalt ist einerlei. S ist wie 
mit dem Potsdamer Bürger und Hausbesitzer, der mir einmal sagte, 
daß eine Rede von Radowitz ihn tief gerührt und ergriffen hätte. 
Ich fragte ihn, ob er mir eine Stelle sagen könnte, die ihm be- 
sonders zu Herzen gegangen wäre — dder besonders schön vor- 
gekommen. Er wußte keine anzugeben. Ich nahm darauf die Rede 
her und erkundigte mich bei ihm, welches die rührende Stelle wäre, 
indem ich das Ganze vorlas, und da ergab sichs, daß gar nichts 
der Art darin stand, weder was Rührendes noch was Erhabnes. 
Es war eigentlich immer nur die Miene, die Stellung des Redners, 
die aussah, als spräche er das Tiefste, Bedeutendste und Ergrei- 
fendste — der Denkerblick, das andächtige Auge und die Stimme 
voll Klang und Gewicht. — Mit Waldeck wars ähnlich, obwohl 
er kein so gescheiter Mensch und keine so vornehme Erscheinung 
war. Bei dem wars mehr der weiße Bart und die Gesinnungs- 
tüchtigkeit.“ — „Die Gabe der Beredsamkeit hat im parlamentarischen 
Leben manches verdorben. Man braucht viel Zeit, weil alle, die 
da was zu können glauben, das Wort haben müssen, auch wenn 
sie nichts Neues vorzubringen wissen. Es wird zu viel in die Luft 
gesprochen, zum Fenster hinaus, und zu wenig zur Sache. Alles 
ist schon abgemacht in den Fraktionen, und so redet man im Plenum 
bloß für das Publikum, dem man zeigen will, was man kann, und 
noch mehr für die Zeitungen, die loben sollen.“ — „Es wird noch 
dahin kommen, daß man die Beredsamkeit für eine gemeinschädliche 
Eigenschaft ansieht und bestraft, wenn sie sich eine lange Rede zu 
schulden kommen läßt.“ — „Da haben wir einen — fuhr er fort —, 
der gar keine Beredsamkeit treibt, und der trotzdem mehr für die 
deutsche Sache geleistet hat als irgend jemand sonst — das ist der 
Bundesrat. Ich erinnere mich zwar, zuerst wurden einige Versuche 
in der Richtung gemacht. Ich aber schnitt das ab — wozu ich 
eigentlich nicht berechtigt war, wenn ich auch den Vorsitz führe. 
Enfin, ich sagte ihnen ungefähr: Meine Herren, mit Beredsamkeit,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.