4. Februar Achtzehntes Kapitel 145
„Ja — sagte der Chef —, das glaube ich wohl. Auch Favre
versuchte es noch ein paar mal mit dem hohen Kothurne. Aber es
dauerte nicht lange. Ich brachte ihn immer mit einem leichten
Scherze herunter.“
Jemand gedachte der Rede, die Klaczko am 30. Januar in der
Reichsratsdelegation gegen ein Zusammengehen Osterreichs mit
Preußen gehalten hat, und der Enthüllung Giskras, die in der
Morgenausgabe der Nationalzeitung vom 2. Februar steht. Er
hat gesagt, Bismarck habe ihn von Brünn mit Friedensvorschlägen
nach Wien schicken wollen, die auf folgendes hinausgelaufen seien:
Abgesehen von Venetien Statusquo vor dem Kriege, Maingrenze
der preußischen Hegemonie, keine Kriegskosten, aber Fernhaltung
der Vermittlung Frankreichs beim Friedensschluß. Giskra habe den
Baron Herring damit nach Wien gesandt, der sei aber von Moritz
Esterhazy kühl empfangen und nach sechzehnstündigem Warten aus—
weichend beschieden worden. Nach Nikolsburg gereist, habe er dort
schon Benedetti getroffen und die Antwort erhalten: „Sie kommen
zu spät.“ Osterreich kostete somit, wie Giskra hervorhebt, die fran-
zösische Vermittlung dreißig Millionen Kriegsentschädigung.
Man bemerkte, Preußen hätte den Ssterreichern damals wohl
mehr abnehmen können, auch Land, z. B. Osterreichisch-Schlesien,
vielleicht Böhmen.
Der Chef erwiderte: „Das ist möglich. Geld — was konnten
die armen Teufels mehr geben! Böhmen wäre schon etwas gewesen,
und es gab Leute, die daran dachten. Aber wir hätten uns damit
Verlegenheiten aufgeladen, und Osterreichisch-Schlesien war für uns
nicht viel wert. Gerade dort sind auch die Sympathien für das
Kaiserhaus und die Zugehörigkeit zu Osterreich größer als anderswo.
— Man muß sich bei solchen Sachen fragen, was man braucht,
nicht, was man kriegen kann.“?
Hieran anknüpfend fuhr er fort, in Nikolsburg wäre er einmal
1 Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland II, 380 f.
385 f. 388. 392. Baron Herring war der Präsident der Brünner Handels-
kammer, Graf Esterhazy, Minister ohne Portefeuille, der Spiritus rector des
Ministeriums Mensdorff. Die Verhandlungen spielten zwischen dem 15. und
19. Juli 1866.
2 Darüber jetzt vor allem G. u. E. II, 42 ff.
Busch, Tagebuchblätter II 10