Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

15. Februar Neunzehntes Kapitel 167 
„Die Geschichte wird die Konvention vom 28. Januar als un- 
abweisliches Zeugnis für die Mäßigung verzeichnen, die Deutschland 
Frankreich gegenüber an den Tag gelegt hat. Das hat selbst die 
Regierung der nationalen Verteidigung anerkannt, wenn sie in ihrer 
am 10. d. M. veröffentlichten Proklamation sagt: Niemals hat eine 
belagerte Stadt sich unter so ehrenvollen Bedingungen ergeben, und 
diese Bedingungen sind erreicht worden, während Hilfe von außen 
unmöglich und das Brot aufgegessen ist. Nun aber speit in dem- 
selben Augenblicke, wo Deutschland dem besiegten Frankreich das 
Mittel giebt, sich von der Last der Diktatur zu befreien und wieder 
Herr seiner Geschicke zu werden, die Pariser Presse und die in den 
Departements auf die deutsche Armee, auf die deutschen Fürsten und 
auf die politischen und militärischen Größen Deutschlands Belei- 
digungen aus, die auch den ruhigsten Naturen die Zornröte ins 
Gesicht steigen macht und selbst die erbittern, die ihre Kräfte daran- 
gesetzt haben, Tausenden von Unschuldigen die Züchtigung zu er- 
sparen, die die Verirrungen der Demagogie und einer im Wahnsinn 
faselnden Presse herausforderten. Wenn die französischen Heere un- 
versehrt dastünden, wenn der ? Erwählte von acht Millionene nicht 
Kriegsgefangner in Deutschland wäre, wenn nicht mehr als eine 
halbe Million Franzosen infolge zahlloser Niederlagen teils in 
Deutschland, teils in Belgien, teils in der Schweiz interniert sein 
Schicksal teilten, wenn sich mit einem Worte das Kriegsglück nicht 
schon deutlich entschieden hätte, so würde man diese sich unaufhörlich 
wiederholenden Schimpfereien und Großsprechereien schon sehr übel 
angebracht finden; was aber soll man von der Denkweise und 
Haltung dieses Teils der französischen Nation sagen, die sich eine 
besonders kluge und wohlgesittete dünkt, wenn er, während das 
öffentliche Wohl von der Gnade des Siegers abhängt, sich darin 
gefällt, diesen zweck= und grundlos zu beleidigen? Deutschland 
könnte diese Kundgebungen mit der Verachtung betrachten, die sie 
verdienen, wenn es nicht den Zweck im Auge zu behalten hätte, 
den zu erreichen es sich vorgesetzt hat. 
„Dieser Zweck ist der Friede, und zwar ein solcher, der eine 
möglichst lange Dauer verheißt. Dagegen wirkt aber die Aufregung, 
die von der Pariser Presse ausgeht, in doppelter Weise: sie ver- 
blendet die Franzosen, und sie erbittert die Deutschen. In Paris
	        
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