168 Neunzehntes Kapitel 22. Februar
wird man sich über die Lage der Dinge, d. h. darüber, daß wir die
Stadt in der Hand haben, nicht klar. Man bemerkt nicht, daß
diese Kundgebungen einer vernünftigen Entscheidung der Frage, ob
Krieg oder Frieden, zu der sich jetzt die Nationalversammlung an—
schickt, nicht förderlich sein können, und so erscheinen der Einmarsch
der deutschen Armee und die Okkupation der Stadt als die einzigen
Mittel zur Beschleunigung des Friedenswerkes und zur Beseitigung
einer Opposition, an der Europa schon lange Anstoß genommen hat.“
22. Februar, Mittwoch. In der letzten Woche allerlei große
und kleine Artikel gemacht und etwa ein Dutzend Telegramme ab—
gesandt. Dazwischen in Fort Issy, auf dem Mont Valerien und
in dem zur Ruine ausgebrannten Schlosse von Meudon gewesen.
Auf dem Mont Valérien kamen wir gerade dazu, wie unfre Leute
die größte der dortigen Kanonen mit Laub bekränzt wegfuhren. #
Die übrigen Geschütze hier und im Fort von Issy sind teils zer-
sprengt worden, teils hat man sie auf die Stadt gerichtet, weshalb
auch die Wälle und Brustwehren umgebaut worden sind.
Die Versammlung in Bordeaux zeigt eine verständige Berück-
sichtigung der Situation, die die letzten vier Wochen herbeigeführt
haben. Sie hat Gambetta fallen lassen und Thiers zum Chef der
ausübenden Gewalt und zum Wortführer der Sache Frankreichs
bei den Verhandlungen über den Abschluß eines Friedens gewählt,
die gestern hier begonnen haben.:
In betreff dieser Besprechungen sagte der Chef gestern bei
Tische, wo Henckel als Gast zugegen war: „Wenn sie uns eine
Milliarde mehr gäben, so könnte man ihnen Metz vielleicht lassen.
Wir nähmen dann achthundert Millionen und bauten uns eine
Festung ein paar Meilen weiter zurück, etwa bei Falkenberg oder
nach Saarbrücken hin — es muß doch dort einen geeigneten Platz
geben. Da profitieren wir noch bare zweihundert Millionen. Ich
mag gar nicht so viele Franzosen in unserm Hause, die nicht drin
1 Die Sainte Valérie. Sie stand beim Triumpheinzuge in Berlin am 16. Juni
1871 am Zeughause.
2 Zum Chei du pouvoir exêcutif wurde Thiers am 18. Februar ernannt,
die Verhandlungen mit ihm begannen in Versailles am 21. Februar. Vgl.
Abeken 507. Bismarck-Regesten I, 417. K. Friedrichs Tagebuch vom 20. und
22. Februar.