29. Dezember Sechzehntes Kapitel 5
daß die erste Armee in Verfolgung Faidherbes bis Bapaume vor—
gedrungen ist, und daß der Mont Avron gestern unser Feuer nicht
mehr erwidert hat. Beim Frühstück heißt es, daß die sächsische
Artillerie gestern und vorgestern vier Tote und neunzehn Ver-
wundete gehabt habe.
Nachmittags die Depesche Granvilles an Loftus in betreff des
Bismarckschen Rundschreibens über die Luxemburgische Angelegenheit
für den König übersetzt. Dann Akten studiert. Um die Mitte des
Oktobers ist dem Chef eine Koburger Denkschrift mit Vorschlägen
zu einer Neugestaltung Deutschlands zugegangen. Unter diesen Vor-
schlägen ist auch die Wiederherstellung der Kaiserwürde und zuletzt
die Einsetzung des Bundesrats durch Bundesministerien und die
Schaffung eines aus Vertretern der Regierungen und Delegierten
der Landtage zusammengesetzten Reichsrates. Der Chef hat darauf
geantwortet, ein Teil der in diesen Vorschlägen niedergelegten Ge-
danken sei schon seit langer Zeit in Verwirklichung begriffen. Gegen
die Bundesministerien und den Reichsrat müsse er sich verwahren,
da er sie als die Ausführung der andern Neugestaltungen hinder-
lich betrachte, und nach Befinden werde er sich öffentlich gegen die
Solidarität mit diesen beiden Gedanken erklären. — Aus Brüssel
wird berichtet, daß der König der Belgier uns wohlwolle, aber
kein Mittel habe, um gegen die deutschfeindliche Presse einzu-
schreiten. — Der Großherzog von Hessen hat sich dahin geäußert,
daß Elsaß und Lothringen preußische Provinzen werden müßten.
Dalwigk dagegen, uns noch so abgeneigt wie je, will, daß die von
Frankreich abzutretenden Gebietsteile mit Baden vereinigt werden,
das dafür die Gegend von Heidelberg und Mannheim zur Her-
stellung des Zusammenhanges mit der linksrheinischen Pfalz an
Bayern übergeben soll.? — In Rom will der Papst die „Mediation“
zwischen uns und Frankreich übernehmen, welchen Ausdruck Arnim
abgelehnt hat. — In einem Berichte aus München heißt es über
1 Vom 17. Dezember. Bismarck erwiderte sie am 24. Dezember durch eine
Note an Graf Bernstorff. Bismarck-Regesten I, 411.
2 Dieser Plan wurde auf Weisung König Ludwigs bald nach Sedan ver-
traulich bei Bismarck angeregt, von diesem aber entschieden zurückgewiesen.
Louise von Kobell, Die bayrische Mobilisierung und die Anerbietung der Kaiser-
krone 1870, im Januarheft 1899 der Deutschen Revue S. 24.