Zwanzigstes Kapitel
Wilhelmstraße sechsundsiebzig") — Bildsäulen und
Büsten — Bucher und Abeken
E'i# ich mit den Ausschnitten aus meinem Tagebuch fortfahre, sei
mir erlaubt, den Lesern ein Bild von dem Hause zu zeichnen, in
dem der Kanzler in der Zeit, wo ich unter ihm zu arbeiten die
Ehre hatte, während seines Aufenthalts in Berlin wohnte, und
daran einige Worte über das Leben zu knüpfen, das ihn da umgab.
Ich gedenke das in möglichst ausführlicher, auch das Neben-
sächliche nicht außer acht lassender Darstellung zu thun, unbe-
kümmert darum, ob es nach dem Geschmacke gewisser Litteraten ist
oder nicht; denn das Publikum wird, wie ich hoffe, anders urteilen
und meine Zeichnung willkommen heißen. Handelte es sich um das
Sanktum des Redakteurs Pontius oder um die journalistische Werk-
statt des Kritikers Pilatus, hätte ich selbst mein Augenmerk auf
das Kabinett gerichtet, wo Kunz oder Kohn, unfre hochmögenden
Land= und Reichsboten, die großen Lichter unfrer Parteien, ihre
Pläne schmieden und über ihre Reden meditieren, so würde ich jene
Hoffnung nicht hegen. Dem Volke würde eine solche Schilderung,
dünkt mich, uninteressant, vielleicht komisch vorkommen. Hier aber
steht die Sache einigermaßen anders. Die Herren Pontius und
Pilatus werden es vermutlich nicht zugeben, es ist aber doch so;
Wilhelmstraße sechsundsiebzig ist, auch wenn es die fortschrittlichen
Blätter Berlins, die runzlige Alte, die National-Zeitung, und die
über den trüben Wassern dieser Presse schwebenden parlamentarischen
Geister nicht erlauben, ein in eminentem Sinne weltgeschichtliches
Haus. Unter seinem Dache, in seinen Räumen ist vom Herbst 1862
*) Zuerst zum Teil abgedruckt in den „Neuen Tagebuchblättern,“ 1879.
Busch, Tagebuchblätter II 12