Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

182 Zwanzigstes Kapitel 
festzuhalten, daß wir uns nicht im Auswärtigen Amt und zugleich 
im Reichskanzleramt — ein Mißverständnis, das meiner Erfahrung 
zufolge früher häufig, selbst bei so weisen und wohlunterrichteten 
Leuten wie Pontius vorkam und noch jetzt bei den einen und den 
andern obwalten kann —, sondern lediglich im Auswärtigen Amt, 
und zwar in der ersten oder politischen Abteilung befinden, die un- 
mittelbar unter dem Reichskanzler arbeitet. Die zweite, seit etlichen 
Jahren im Punkte des Unterkommens besser bedacht, hat ihre Büreaus 
jetzt in dem palastartigen Gebäude Wilhelmsplatz 1 und 2, während 
für sie in der Zeit, von der hier die Rede ist, ebenfalls ziemlich 
kärglich gesorgt war. Das Reichskanzleramt aber, gewissermaßen 
das Ministerium des Innern für Deutschland, damals unter der 
Leitung des Herrn Delbrück stehend, war und ist räumlich und 
geschäftlich vom Auswärtigen Amt ungefähr so getrennt wie das 
Kriegs= und Marineministerium. 
In dem Raume hinter dem Windfang herrscht ahnungsvolles 
Halbdunkel. Rechts führt eine Thür in das Zimmer, wo die 
Chiffreurs untergebracht sind. Links steigt man auf einer ziemlich 
breiten Treppe, die ihr Licht durch eine kleine, mit grün= und gold- 
farbnen Arabesken verzierten Kuppel empfängt, ins erste Stockwerk 
hinauf, wo sich die Amtswohnung des Reichskanzlers befindet. Wir 
gehn für jetzt an den mit Läuferteppichen belegten Stufen vorüber, 
um zunächst unfre Besichtigung der untern Regionen fortzusetzen. 
Ein paar Schritte, und wir sind in einem schmalen und von Natur 
völlig dunkeln Gange, der auch bei Tage durch eine Hängelampe 
beleuchtet werden muß, und der vor einer Flügelthür endigt, durch 
die man in das auf den Hinterhof und den Garten hinausgehende 
große Zimmer des Staatssekretärs gelangt. In der linken Wand des 
Ganges führt eine zweite Thür in die Stube der Kanzleidiener, 
und treten wir durch die dieser schräg gegenüber sich öffnende dritte, 
so kommen wir in ein kleines, matt erleuchtetes Vorzimmer, das, 
wenn man von den an den Wänden stehenden Schränken und von 
dem Tapetenverschlag absieht, der vor dem einzigen Fenster des 
Gemaches angebracht ist und, oben offen, etwa bis zur halben Höhe 
des Fensters reicht, eine Länge von ungefähr sieben und eine Breite 
von etwas mehr als drei Schritten hat. 
Man legt hier Überröcke, Hüte und Schirme ab. Der Raum
	        
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