Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Zwanzigstes Kapitel 185 
ihnen 1862 plötzlich ein neuer Geist das Haus erfüllte! Und ob 
sie sich wohl je mit diesem raschen, viel verlangenden, gebieterischen 
und nicht sehr rücksichtsvollen Genius versöhnt haben, als sie die 
Früchte, die mächtigen Erfolge der durch ihn in Gang gebrachten 
Umgestaltungen sahen? Möbel sollen dafür zuweilen kein Interesse 
und Verständnis haben. 
Hübsch würde es sein, wenn ich meine Schilderung dieser 
Zimmer mit ausgeführten Charakterbildern aller der in ihnen Thä— 
tigen ausstatten dürfte. Es würden gleichsam Bildsäulen und Büsten 
in dem von mir litterarisch aufgebauten Hause sein, und es gäbe 
möglicherweise ein Original darunter oder auch zwei. Indes hat 
die Sache ihre Bedenken, von denen ich nur die hervorhebe, daß 
Würde in der Regel keinen Scherz verträgt, daß ferner der Nicht— 
beamte einige Gefahr läuft, den Beamten unrichtig, oder sagen wir 
unbillig, zu beurteilen, und daß dieser, wenn er von rechtem Schrot 
und Korn ist, sich von Leuten außerhalb seines Kreises nicht gelobt 
und nicht getadelt, ja nicht einmal mehr als nötig erwähnt wissen, 
sondern einfach seine Pflicht und Schuldigkeit thun und an seinem 
gut ausgebildeten Selbstgefühle genug haben will, was hier um so 
mehr zu billigen wäre, da ich es mit geheimen Räten und geheimen 
Sekretären zu versuchen haben würde. 
So dachte ich und zögerte, ans Werk zu gehen. Zuletzt aber 
drängten sich doch andre Betrachtungen auf. Das Bild des Lebens 
um den Kanzler mußte möglichst vollständig geschildert werden, und 
die Wahrheit, die durch Machinationen in der Presse mehrfach arg 
verdunkelt und entstellt worden war, durfte nicht länger Gewalt 
leiden. Ich schlage daher einen Mittelweg ein, indem ich einige 
der oben erwähnten Bildsäulen und Büsten, deren Originale in— 
zwischen entweder verstorben oder vor der öffentlichen Meinung 
ganz besonders in falsches Licht gerückt worden sind, aus dem 
Kämmerlein meines Tagebuchs, wo ich sie bisher zum Zwecke privater 
Verehrung in stillen Stunden verwahrte, teils hier, teils in spätern 
Kapiteln aufstelle. Die Geschichte, in die sie gehören, muß wissen, 
wie diese Mitarbeiter des Kanzlers nach unbefangner Beobachtung 
aussahen, und vor dieser Notwendigkeit haben andre Rücksichten zu 
schweigen. Von den übrigen Herren nenne ich nur die Namen, 
gebe ihnen ihre Titel, erwähne im allgemeinen, daß sie mehr oder
	        
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