Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

186 Zwanzigstes Kapitel 
minder reichlich im Besitze der üblichen andern Dekorationen sind, 
und deute mit ein paar Worten einiges von ihren Gesichtszügen an. 
Wir waren beim ersten Zimmer links von dem vorhin be— 
schriebnen halbdunkeln Vorsaale stehen geblieben, den ich mir er— 
laubte, mit dem Vorhofe der Heiden zu vergleichen. Betrachten 
wir es näher, so hat es dieselbe Tiefe wie der Vorsaal und eine 
Länge von etwa vierzehn Schritten. Die Tapete ist grau und weiß 
gemustert, an den innern Wänden stehen große Schränke und Re— 
positorien, an den Fenstern die Arbeitstische und Stehpulte der 
Sekretäre des Zentralbüreaus, die meines Wissens unter den Sub— 
alternbeamten des Reichs die höchste Staffel einnehmen. Der Region 
der Legationsräte am nächsten, also am letzten Fenster, hat der 
Vorstand des Büreaus, der Geheime Hofrat Roland, seinen Platz, 
ein älterer Herr, der in der Zeit hier eingetreten ist, wo diese Stellen 
vorwiegend oder ausschließlich mit Angehörigen der französischen 
Kolonie besetzt wurden, und wo man die Registrierung der aus— 
und eingehenden Sachen, das Hauptgeschäft des Zentralbüreaus, 
und wenn ich nicht irre, auch andres in französischer Sprache vor- 
nahm. Er ist das Musterbild eines Registrators, obwohl ein klein 
wenig barsch, und würde in gewissem Sinne wohl auch ein guter 
Kalkulator genannt werden dürfen. Neun Orden und Medaillen 
zieren, wenn er an Galatagen in Reserveleutnantsuniform erscheint, 
seine verdienstvolle Brust, und obgleich ihm solche Ehren= und 
Gnadenzeichen, seiner Versicherung zufolge, wenig bedeuten, nur 
„Toilettengegenstände“ sind, steht zu hoffen, daß er seit 1873, wo 
ich ihn zum letztenmale in seinem vollen Glanze sah, die Ge- 
legenheiten, das Dutzend vollzumachen, die sich bis 1881 wiederholt 
darboten, mit Erfolg wahrgenommen haben wird. Der Etikette im 
amtlichen Verkehr bis auf den Grund kundig und mit Treue zu- 
gethan, wird er an den Minister nie anders als unterthänigst, an 
den Staatssekretär unterthänig, an Botschafter ehrerbietigst, an 
Gesandte respektvollst schreiben. Bülow und Keudell redet er brief- 
lich, vielleicht weil sie Kassenräte, vielleicht weil sie von Adel sind, 
ganz gehorsamst, Bucher und andre Geheimräte nur gehorsamst, 
Gleichstehende ganz ergebenst, Untergeordnete ergebenst an. Der 
Nächste an Platz und Rang ist der Hofrat Hesse, gleichfalls schon 
bei Jahren, früher Theolog gewesen. Dann folgen Herr Bölsing,
	        
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