Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Zwanzigstes Kapitel 189 
am 25. Oktober 1817 zu Neustettin geboren, seine Eltern siedelten 
aber schon, als das Kind erst zwei Jahre alt war, nach Köslin 
in Hinterpommern über, wo sein Vater, aus Kurhessen stammend 
und als Philolog wie als Geograph geachtet, Professor und 
Prorektor am Gymnasium geworden war, und wo der Knabe 
nun den ersten Unterricht und die ersten bewußten Eindrücke von 
Welt und Leben empfing. Von Bedeutung für seine reifern Jugend— 
jahre wird gewesen sein, daß der Vater mit Ludwig Jahn be— 
freundet war. Von dem, was die Schule bot, eignete er sich 
am leichtesten Mathematik und Naturkunde an, und als die Wahl 
eines Berufs näher rückte, wollte er zuerst Seemann, dann Bau— 
meister werden. Die Eltern dagegen zogen einen gelehrten Stand 
vor, und er entschied sich für das Studium der Rechtskunde, 
zu welchem Zwecke er die Universität Berlin bezog. Er fand 
hier den bekannten Streit der historischen und der philosophischen 
Schule — Savigny und Gans — vor, trat der letztern bei und 
beschäftigte sich fleißig mit deren oberstem Meister Hegel. Später 
jedoch erkaltete seine Neigung zur Philosophie. und er widmete 
sich ausschließlich der Rechtswissenschaft. Von 1838 an war er 
beim Oberlandesgericht Köslin thätig, und 1843 wurde er als 
Assessor beim Gericht zu Stolp angestellt, das ihn nach den März- 
tagen von 1848 in die preußische Nationalversammlung und im 
Jahre darauf in das mittlerweile geschaffne Abgeordnetenhaus 
wählte. Bis 1840 hatte es in Preußen so gut wie gar kein öffent- 
liches Leben im heutigen Sinne gegeben. Der neue Landbote aus 
Hinterpommern war Jurist mit wesentlich privatrechtlicher Bildung 
ohne irgendwelche Erfahrung in Staatssachen. Er hatte endlich in 
seinen Mußestunden Rotteck und Welcker gelesen und sich deren An- 
sichten von Geschichte und Politik mit der ihm angebornen Gründ- 
lichkeit und Energie zu eigen gemacht. So war es, wenn man sich 
noch den revolutionären Geist hinzudenkt, der damals wie ein stür- 
mischer Westwind die deutschen Lande durchwehte, an allen Bäumen 
rüttelte und durch alle Fugen drang, fast selbstverständlich, daß 
Bucher seinen Sitz auf der Linken nahm und seine Gaben als Rechts- 
kundiger und Redner in den Dienst des Radikalismus stellte, wozu 
indes zu bemerken ist, daß er nicht zu denen von Waldecks Partei 
gehörte, die gute Formen verschmähten, und ebenso wenig zu denen,
	        
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