Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

Zwanzigstes Kapitel 191 
richtige Mitwirkung bei der Verwirklichung eines konstitutionellen 
Rechtszustandes empfehlen, nachdem der Kriegsminister ablehnend 
geantwortet hatte. Indem er sich gegen die wandte, die die recht 
liche Befugnis der Nationalversammlung in dieser Angelegenheit 
bestritten hatten, weil das Wahlgesetz vom 8. April sie nur berech- 
tigte, die Verfassung mit der Krone zu vereinbaren, bemerkte er, 
eine solche Auffassung müsse er als sehr naiv bezeichnen. „Die 
Weltgeschichte — so fuhr er fort — wird schwerlich an den Schranken 
eines Wahlgesetzes stehen bleiben. Eine neue Zeit braucht ganz 
andre Fundamente als ein Blatt in der Gesetzsammlung. Ich ge- 
höre selbst dem Juristenstande an und mit Neigung, aber ich habe 
schon öfter Anlaß gehabt, zu bedauern, daß wir hier so zahlreich 
vertreten sind. Wir bringen nur zu leicht den beschränkten richter- 
lichen Standpunkt mit, wir legen nur zu leicht den beschränkten 
richterlichen Maßstab an die ungeheuern Fragen, die wir, wenn auch 
nicht lösen, doch in ihrer Lösung fördern werden. Wir können, 
wir dürfen nicht verfahren wie der Richter, der mit skrupulöser 
Prüfung aus den vorhandnen, für ihn unantastbaren Gesetzen sein 
Urteil ableitet, sondern wir müssen mit staatsmännischem Sinne 
die Notwendigkeit erkennen, unsern Beruf erkennen, der vielleicht 
beispiellos dasteht, den Beruf, die Konsequenzen einer nicht fertig 
gewordnen Revolution auf dem friedlichen Wege der Gesetzgebung 
herbeizuführen. Halten wir das fest, so werden wir leicht den Um- 
fang unfrer Rechte, oder besser, unsrer Pflichten erkennen. Es ist 
so viel die Rede von unsern Befugnissen, unsern Rechten. Sprechen 
wir endlich auch einmal von unsern Pflichten gegen das Volk, das 
aus tausend Wunden blutet.“ Der Redner ging nun die Mängel 
und Schäden des von der alten Regierung hinterlassenen Staates 
durch und fragte, ob dabei die Rede sein dürfe von ängstlichem 
Suchen nach der Form der Abhilfe. Die alten Organe der Re- 
gierung könnten dem Ministerium in vielen Fällen kein getreues 
Bild der Zustände geben, wohl aber könnte dies die Versammlung, 
die das eigentliche Volk vertrete. Der Ministerpräsident habe aus- 
zuführen versucht, daß die Ansicht der Regierung und die der Mehr- 
heit der Nationalversammlung eigentlich auf eins hinausliefen; er 
vermöge dies nicht einzusehen. Am 9. August habe man einen Be- 
schluß gefaßt, und derselbe sei erst nach zwei Tagen dem Ministerium
	        
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