Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

202 Zwanzigstes Kapitel 
errichtete,“ die stille Tugend pflichtmäßig und gewissenhaft fortgesetzter 
Diensttreue und Dienstfertigkeit sehen, aber auch einen starken Beweis 
dafür, daß die Politik oder gar eine bestimmte Politik ihm niemals 
die Hauptsache, wenigstens nie so sehr Herzenssache, Sache des 
Gewissens gewesen ist, wie andre Dinge vielleicht. Auch einiges 
Weitere werden wir am Ende daraus schließen dürfen, und sein 
ebengenannter wohlwollender Biograph steht nicht an, diese Schlüsse 
zu ziehen. Abeken, so beginnt er ungefähr, zeigte eine teils an— 
geborne, teils anempfundne Ähnlichkeit mit Bunsen, dessen Jünger 
er war, und dessen Leben er geschrieben hat; er war ein beweg— 
liches Gemüt und ein vielseitiger Geist. Dagegen war er kein selb— 
ständiger, kein schöpferischer Charakter. „Hierdurch entging er — so 
heißt es weiter — der Gefahr, daß er in Verfolgung einer neuen 
kühnen Idee, einer Überzeugung mit dem Strudel der Zeitverhältnisse, 
dem hergebrachten Gange der Staatsmaschine in Kampf geraten 
und an den Strand geworfen worden wäre, und vermochte in seiner 
leichtern, weniger selbständigen politischen Beweglichkeit vierund— 
zwanzig Jahre, unter sieben verschiednen Ministern und Systemen 
immer ohne Anstoß, innerm wie äußerm, sein Fahrwasser zu be— 
haupten. Und wollte man unserm Freund einen Vorwurf machen 
und seine lavierende Zähigkeit, sein dem Wind und Wetter unwill— 
kürlich sich anschmiegendes Festhalten an Amt und Würden als 
unmännlich tadeln, so würde ein solcher stoischer Tadel jedenfalls 
weniger die einzelne Handlungs- und Gesinnungsweise treffen als 
des Verstorbnen ganzes Wesen und Wirken, das mit derselben 
untrennbar zusammenhing.“ Lesen wir hier zwischen den Zeilen, 
und denken wir uns das eine oder das andre ein wenig unver— 
blümt und konziser ausgedrückt, so werden wir dem seligen Geheim— 
rat nicht Unrecht thun, wenn wir uns diese Analyse seines Charakters 
aneignen. 
Über die ungewöhnliche, mitunter komische Anziehungskraft, 
die alles, was mit dem Hofe und andern fürstlichen Kreisen zu- 
sammenhing, auf Abekens Gemüt auszuüben schien, haben die Tage- 
buchblätter aus dem Kriege schon einige Beispiele gebracht, und ein 
paar andre werden die fernern Kapitel enthalten. Wie er hierin 
das Gegenbild seines Kollegen Bucher, so war er es auch darin, 
daß er ungemein gesellig und gesprächig war. Seinem Bedürfnis
	        
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