Zwanzigstes Kapitel 203
nach Verkehr mit vornehmen Leuten genügte er unter anderm dadurch,
daß er sich häufig in den Zirkeln bewegte, die sich im Radziwill—
schen Palais versammelten — Besuche, die er auch dann nicht ein—
zustellen vermochte, als sich in dieser Gesellschaft die ultramontane
Opposition gegen die kirchliche Politik des Reichskanzlers einen
ihrer Mittelpunkte bildete. Sehen wir von diesen und einigen andern
obern Kreisen ab, so wird sich der alte Herr am glücklichsten bei
den Wochenzusammenkünften der Graeca — einem meist aus ehe-
maligen „Römern“ bestehenden Vereine, der statutenmäßig alle
politischen Gespräche ausschloß und außer geselligen Zwecken nur
philologische und ästhetische verfolgte — befunden haben.
„Aber auch mitten unter amtlichen Arbeiten — so berichtet Meier,
und so könnte ich ebenfalls erzählen —, selbst auf seinem Ministerium
wußte er für ästhetisch-philologische Intermezzos noch Raum zu
finden und seine von Hessen und Schleswig-Holstein ermüdeten
Kollegen bald mit einigen römischen oder orientalischen Erinne-
rungen zu unterhalten, bald mit einem Zitatenstrom aus deutschen
und fremden Dichtern, Goethe und Sophokles, Heinrich Kleist,
Shakespeare und Dante in Erstaunen zu setzen“ — häufig aber
auch andre Empfindungen zu erregen, gestatte ich mir hinzuzufügen.
Wie weit das mit dem Zitatenstrom manchmal ging, mag eine Anek-
dote zeigen, die Meier, anscheinend ohne zu merken, welche Farce
er seinen Lesern vorsetzt, von seinem Freunde berichtet. „Als Abeken,
wie er oft erzählte, im November 1850 seinen damaligen Chef
von Berlin nach Olmütz begleitete — zum Abschlusse jenes un-
glücklichen Ubereinkommens, in dem er freilich immer eine glückliche
diplomatische Rettung Preußens erkennen wollte —, da sahen sie
beide auf ihrer nächtlichen Fahrt plötzlich die winterliche Morgen-
sonne neben sich aufgehen und begrüßten sie, der Minister zuerst
(in Wirklichkeit wird wohl sein schnell empfindender Rat den An-
fang gemacht haben, der aber bei der Erzählung des Vorfalls der
Exzellenz gebührend den Vortritt ließ), mit dem beiden geläufigen
Chorgesang aus der Antigone: r iel#dov“ Strahl des He-
lios dul“
Ich denke, das bedarf keines langen Kommentars, und so sage
ich nur: Ein Glück für Abeken, daß der Minister, der diesem ver-
mutlich nicht zuerst von ihm selbst ausgegangnen, in doppeltem