Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

204 Zwanzigstes Kapitel 
Sinne unnatürlichen Gefühlsausbruche beiwohnte, von Manteuffel 
und nicht von Bismarck hieß. Ich hätte Bismarcks Zorn sehen 
mögen, wenn der Berliner Grieche seinen pathetischen Hymnus an 
die aufgehende Sonne angestimmt hätte, wo die Sonne Preußens 
auf Jahre niedergehen sollte! 
Unstreitig war Abeken in dem Getriebe des Auswärtigen Amts 
eine sehr anerkennenswerte Kraft, aber keineswegs eine so hervor— 
ragende, als viele Außenstehende vermeinten. Durch langjährigen 
Dienst wohl geschult in allem Bei- und Außenwerk der Geschäfte, 
Virtuos in der Routine, ausgerüstet mit einem stattlichen Vorrat 
von Phrasen, die ihm, wenn eine Bestellung erfolgte, stracks, ohne 
daß er viel nachzudenken brauchte, aus der Erinnerung durch Arm 
und Hand und Feder liefen, mehrerer Sprachen ungefähr so weit 
mächtig, als die ihm gestellten Aufgaben erheischten, war er ganz 
dazu geschaffen, die ihm zur Stilisierung zugewiesenen Gedanken des 
Chefs mit großer Geschmeidigkeit zurecht zu machen, und da er 
zugleich ein unverdrossener Arbeiter war, so lieferte er zuweilen den 
Tag über ganz erstaunliche Quantitäten von wohlgestalteten Schrift- 
stücken für die Botenstube und den Depeschensack ab. Den Stoff 
solcher Leistungen aus seinem Eignen zu nehmen, wäre er aller- 
dings, wo es sich um einigermaßen wichtige Fragen handelte, wohl 
kaum imstande gewesen. Indes war das durchaus nicht erforder- 
lich. Ein fingerfertiger Former mit guter Kenntnis des Herkömm- 
lichen genügte. Für den Inhalt sorgte das Genie und die Sach- 
und Menschenkunde des Ministers, der ihn informierte, und der 
zuweilen auch die Form verbesserte, in der sein Gehilfe den Auf- 
trag ausgeführt hatte. Dieser soll unter dem Vorgänger Bismarcks 
selbständiger gearbeitet und unter anderm das Olmützer Abkommen 
zu Papier gebracht haben. Daß er unter dem ersten Reichskanzler 
auch mit Dokumenten der großen Politik bei eignem Lichte befaßt 
worden sei und Thronreden ausgearbeitet habe, wie ich behaupten 
hörte, ist Legende. Dagegen wurde er bei verschiednen Gelegen- 
heiten (wenn der Minister an Verstimmung gegen die Allerhöchste 
Stelle litt) wochenlang beauftragt, dem König in Vertretung seines 
Chefs und selbstverständlich nach dessen Vorschriften über die lau- 
senden Geschäfte Vortrag zu halten. Auch begleitete er den Monarchen 
mehrmals in amtlicher Eigenschaft bei Badereisen, z. B. im Früh-
	        
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