Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

206 Zwanzigstes Kapitel 
würdiger Kavalier, der sich für den diplomatischen Dienst vorbe— 
reitete (er starb 1880 an einem Krebsleiden), und der Graf Solms- 
Sonnenwalde, der vorher der Botschaft in Paris zugeteilt gewesen 
war und später als Gesandter erst in Brasilien, dann in Dresden 
und zuletzt in Madrid fungierte,.) eine Zeit lang bei uns aus 
und ein. 
Daß man trotz aller Enge und Unbequemlichkeit im Aus- 
wärtigen Amte tapfer arbeitet und etwas vor sich bringt — was 
namentlich von Bucher und Abeken zu rühmen ist —, bedarf kaum 
der Hervorhebung. Der Kanzler verlangt es und geht mit gutem 
Beispiel voran. Alles von unten bis oben ist stramm eingerichtet, 
hat ohne Einspruch zu gehorchen und gehorcht ohne Einspruch und 
ohne Widerrede, wie es sich gehört, mag es dabei innerlich aus- 
sehen, wie es will. Bisweilen bäumt sich einer der vornehmen 
Herren, die hier sitzen, gegen die Regel auf, glaubt zu viel oder 
nicht das Rechte thun zu müssen, räsonniert über einen ihm ge- 
wordnen speziellen Auftrag, knirscht und ballt die Faust in der 
Tasche. Wohlweislich aber hütet er sich, seinen Unmut anders als 
in lauten Soliloquien innerhalb seiner Stube an den Tag zu legen. 
Alles hier unten rührt sich und dreht sich um einen Willen, um 
den, der von oben kommt, und man thut, was man kann. Wer 
das nicht mag in der engern und weitern Sphäre des Genius, 
der hier gebietet, der kann sich trollen. Es muß Ordnung sein, 
feste Ordnung, Subordination und präzises rasches Arbeiten und 
Ineinandergreifen der einzelnen Räder in der Maschinerie. Nichts 
darf an der oder jener Individualität stocken. Das erste und oberste 
Gesetz heißt Hingebung. 
Vor Zeiten war das anders, schadete aber nicht viel — Kenner 
der Geschichte Preußens vor dem Amtsantritt des Herrn von Bis- 
marck wissen, warum nicht. Heute, wo ein fruchtbarer Geist und 
ein energischer Wille hier walten und die größten Dinge auf dem 
Spiele stehen, ist einfach Ordre zu parieren. Die Räte haben nich 
zu raten, sondern sich als Glieder des Kanzlers zu betrachten, die 
gleich den weitern Gliedern, den Geschäftsträgern, Gesandten und 
Botschaftern, mit ihrem Wissen und Können seine Gedanken und 
  
*) Er war darauf Botschafter beim König von Jtalien.
	        
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