212 Zwanzigstes Kapitel
des Kaisers von weißem Marmor, und dieser gegenüber an der
Wand ein großes Porträt des Kaisers in ganzer Figur. Die Thüren
des Saales zeigen gelbe Maserfelder, die in der Mitte eine Stern—
blume haben, in dunkler, oben und unten gekreuzter Mahagoni—
einfassung.
Weltgeschichtliche Erinnerungen, die Geister ausschlaggebender
Unterredungen durchschweben diesen Saal. 1864 fand hier die ent—
scheidende Besprechung mit dem „Herzog von Schleswig-Holstein“
statt, bei der er sich infolge seiner Kurzsichtigkeit plötzlich in einen
bescheidnen „Erbprinzen von Augustenburg“ verwandelt sah. In
den letzten Monaten vor dem Kriege von 1866 werden die Wände
dieses Gemachs Zeugen schicksalsschwangern Meinungsaustauschs
zwischen dem Herrn von Bismarck und dem österreichischen Gesandten
gewesen sein. Einige Zeit später wurde der Prinz Napoleon hier
empfangen, und im Frühjahr 1870 konnte man die schmächtige
Gestalt Benedettis hier unsern Minister zu Verhandlungen erwarten
sehen.
Treten wir nun durch die Flügelthür, die sich hier der zum
chinesischen Saale führenden gegenüber öffnet, so gelangen wir
in das Arbeitszimmer des Kanzlers, einen Raum, der bei einer
Tiefe von ungefähr elf Schritten etwa zehn Schritte breit ist. Die
Tapete zeigt ein Muster mit goldnen Kreuzchen auf grauem Grunde.
Jede Wand ist mit braunen Streifen in schmalen Goldleisten ein—
gefaßt. Über den langen weißen Vorhängen an den Fenstern sind
kurze von dunkelgrünem Stoff. Von der Decke, die wie die in
den vorigen Sälen einfach weiß getüncht ist, hängt ein Kronleuchter
von Messing und Glas herab, der unten die Gestalt einer Schale
und weiterhin zwei Reifen hat. Den Fußboden bedeckt ein Teppich
mit blauen, hellroten und grünen Blümchen auf dunkelrotem Grunde.
Es fehlt hier nicht an Bildern. Wenden wir uns der Wand
rechts von der Thür zu, durch die wir eingetreten sind, so bemerken
wir über einem breiten, mit dunkelrotem Wollenstoff überzognen
Schlafsofa mehrere Porträts in einfachen Goldrahmen, zu oberst den
Kaiser im Zivilanzuge, eine Lithographie oder Kreidezeichnung,
dann dessen Schwester, die Großherzogin-Mutter von Mecklenburg—
Schwerin, und noch zwei kleine Photographien, die den Kaiser in
Generalsuniform darstellen. Vor dem Sofa lag 1870 das Fell