Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

16. April 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 223 
zeug und Tischwäsche mitgenommen hätten, und der Kanzler der 
armen, bedrängten Frau eine wertvolle Pendule abzudrücken ver— 
sucht haben soll, in der Presse, „aber nicht in Berliner Blättern“ 
in Abrede gestellt, und der wahre Hergang der Dinge erzählt werde, 
wozu er mir die nötigen Mitteilungen an die Hand giebt. Der 
Artikel erschien am 18. d. M. in der Kölnischen Zeitung. 
16. April. Nach den Angaben des Chefs für die Kölnische 
Zeitung folgenden Artikel gemacht: „Was dem einen recht ist, 
soll nach dem Sprichwort dem andern billig sein. Oder hätte der 
Junker Alexander etwa allein Recht? Seit geraumer Zeit wird das 
Westende von Paris bombardiert, und zwar ohne vorherige Anzeige. 
Auf die türkische Gesandtschaft fiel ein Hagel von Granaten; des- 
gleichen regnete es deren in der unmittelbaren Umgebung der 
Wohnung des amerikanischen Gesandten, sodaß Herr Washburne 
sich genötigt sah, nach einem andern Stadtteil auszuziehen. Dies 
geschieht von seiten einer Regierung, bei der diese Diplomaten 
beglaubigt sind, und siehe da, diese beklagen sich nicht darüber. 
Auch von ihren Kollegen ist nichts der Art zu hören gewesen. 
Wenn wir Deutschen kein Gedächtnis hätten, müßten wir dieses 
resignierte Schweigen ganz in Ordnung finden; denn niemand, der 
seinen Wohnsitz in der Festung nimmt, ist berechtigt, zu schreien, 
wenn deren Schicksal ihn mit trifft, und Diplomaten machen von 
dieser Regel so wenig eine Ausnahme wie andre Sterbliche. Da 
wir aber ein Gedächtnis haben, so wird es erlaubt sein, zu fragen: 
Warum schrieen, warum protestierten die in Paris wohnenden 
Diplomaten gegen unfre Bomben so laut, warum entrüsteten sie 
sich so energisch damals, wo die Mehrzahl der Herren bei niemand 
mehr akkreditiert war und somit keinen amtlichen Charakter hatte? 
Was wir meinen, ist die unter dem 13. Januar d. J. ergangne 
Kundgebung von achtzehn Gesandten, Geschäftsträgern und General- 
konsuln gegen die Beschießung von Paris durch die deutsche Be- 
lagerungsarmee. Man beklagte sich damals, daß auch Angehörige 
neutraler Nationen verletzt worden und fortwährend bedroht seien. 
Man beklagte sich ferner, daß die Beschießung begonnen worden 
sei, ohne daß vorher Anzeige geschehen und so den betreffenden 
Diplomaten Gelegenheit geworden sei, ihre Schutzbefohlnen vor 
der Gefahr zu warnen. Man trat im Gefühl seiner Verantwortlichkeit
	        
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