Full text: Tagebuchblätter. Zweiter Band. (2)

20. April 1871 Einundzwanzigstes Kapitel 227 
Nach einem Berichte aus München neigen der einflußreiche 
Kabinettsrat Eisenhart und die Minister von Lutz und von Schlör 
sich der Döllingerschen Bewegung im allgemeinen zu, und die 
Regierung würde, wenn sich aus ihr eine Tendenz zur Gemeinde- 
bildung entwickelte, die „Altkatholiken,“ das heißt die, die das 
Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes nicht annehmen wollen, 
in ihren vermögensrechtlichen Verhältnissen schützen. — Eine Zu- 
schrift aus der Schweiz gelesen, die an unsern Gesandten in Bern 
mit dem Bemerken geschickt wird, sie sei von einem guten Beobachter. 
Es heißt darin, die Deutschen wären an dem Unfuge, der bei deren 
Friedensfeier in Zürich stattgefunden habe, selbst schuld, sie hätten 
großgethan mit Erfolgen, die sie nicht erfochten hätten, und wären 
bisher Parasiten gewesen. Wenn jetzt die „vornehme“ schweizerische 
Presse den Berichten dieser Deutschen, die alles falsch darstellten, 
sekundiere, so wäre es erstens die liberale Partei, die aus der Sache 
gegen das demokratische Element Kapital schlagen wolle, zweitens 
aber die mit ihr zusammenfallende Gotthardspartei, die Angst 
hätte, daß Deutschland sich aus irgend welchem Grunde von der 
Förderung dieses Projekts zurückziehen könnte. 
20. April. Aus Wien schreibt man uns, Beust suche sich 
dem Ministerium Hohenwart: zu nähern; denn im österreichischen 
Staatsleben sei eine Kraft wirksam, die stärker sei als der Reichs- 
kanzler, und die ihn zwar jetzt noch schone, ihn aber gelegentlich 
stürzen könne. Manche Dinge, die jetzt geschähen, seien wohl auf 
die Kabinettskanzlei des Kaisers zurückzuführen, also auf Herrn 
von Braun, der, mit einer Frankfurterin verheiratet, vielfach mit 
dem ehemaligen Senator Bernus verkehre, der seinerseits häufig 
mit Frese zusammen sei. — Unter den Konzepten findet sich das 
zu einer Instruktion an W. in München, datiert vom 17. d. M., 
die folgendermaßen lautet:? „In meinem Telegramm vom 7. habe 
ich die Haltung der klerikalen Fraktion im Reichstag erwähnt, in 
welcher die feindliche Tendenz gegen die Reichsregierung immer mehr 
zu Tage tritt. Es konnte anfangs erwartet werden, daß die sich 
bildende Partei, wenn auch mit einer katholischen Färbung, doch 
  
1 seit dem 7. Februar 1871. 
2 Vgl. G. u. E. II, 125 f.
	        
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